Ära der Negativzinsen endet nach 8 Jahren Mieter*innen werden vom SNB-Entscheid profitieren

Von Monique Misteli

22.9.2022

 Dank der SNB-Zinswende wird das Mieten wieder attraktiver. (Symbolbild)
 Dank der SNB-Zinswende wird das Mieten wieder attraktiver. (Symbolbild)
KEYSTONE/CHRISTIAN BEUTLER

Wie erwartet hat Schweizerische Nationalbank (SNB) heute morgen die Zinsschraube kräftig nach oben gedreht. Sie erhöht den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte, der neu bei 0,5 Prozent liegt. Somit endet nach fast knapp 8 Jahren die Ära der Negativzinsen.

Von Monique Misteli

22.9.2022

Seit heute Morgen ist gewiss: Die SNB erhöht den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte. Mit diesem historischen Schritt beendet die Nationalbank die einst nicht für möglich gehaltene Ära der Negativzinsen. Neu liegt der Leitzins bei +0,5 Prozent. 

Doch was bedeutet die Aufhebung der Negativzinsen für die Schweiz? Und warum gerade jetzt, wenn der Euro Tiefststände markiert? Noch heute Morgen früh taucht er kurzzeitig sogar unter 95 Rappen gegenüber dem Schweizer Franken. 

David Marmet von der Zürcher Kantonalbank sagt: «Seit gut drei Monaten ist nicht mehr der starke Franken, sondern die Bekämpfung der Inflation das oberste Ziel der Nationalbank.» Mit der Aufhebung der Negativzinsen versuchen die Währungshüter nun die steigende Teuerung zu brechen und den Franken graduell zu stärken, erklärt der Chefökonom Schweiz.

«Das oberste Ziel der Nationalbank ist nun die Bekämpfung der Inflation»

Aktuell erreicht die Teuerungsrate in der Schweiz 3,5 Prozent. Damit liegt diese deutlich höher als das von der SNB definierte Ziel von 2 Prozent. Die Portemonnaies der Schweiz sind dadurch mehr belastet.

Geldpolitik der ruhigen Hand

Im Vergleich zum Ausland ist die hiesige Inflationsrate tief. In der Euro-Zone erreicht sie im August 9,1 Prozent, in den USA 8,3 Prozent. Dementsprechend hat die Europäische Notenbank EZB anfangs Monat einen grossen Zinsschritt gemacht. Und die US-amerikanische Notenbank FED ist gestern Abend mit einem grossen Schritt nachgezogen und hat den Leitzins ebenfalls um 0,75 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent erhöht.

Marmet erwartet, dass die SNB die Zinsen nicht über 75 Basispunkte anheben wird: «Bei grossen Zinserhöhungen wertet der Franken zu rasch auf, was wiederum für die Exportbranche ein Problem wäre.»

«Grosse Zinserhöhungen werten den Franken rasch auf»

Die Nationalbank ist bekannt für ihre Geldpolitik der ruhigen Hand. Das bedeutet, sie ergreift meist moderate Massnahmen und wartet deren Folgen ab: Denn die Effekte von heute getroffene Entscheidungen wirken sich mit circa sechs Monaten Verzögerung aus. 

Vereinfacht gesagt bedeutet dies: Kurzfristig nimmt die Kaufkraft der Konsumenten ab, weil durch die Inflation die Lohnerhöhungen wegschmelzen. Marmet rechnet aber, dass zu Beginn des neuen Jahres der Inflationsanstieg gestoppt sein wird.

Missverhältnis zwischen Mieter und Besitzer schmilzt

Während des Regimes der Negativzinsen, galt der Grundsatz: Mieter werden geprellt, Eigenheimbesitzer profitieren. Dass durch die Aufhebung der Negativzinsen Eigentümer ihre Festhypothekzinsen nicht mehr bezahlen können, davon geht Marmet nicht aus. Denn bei der Vergabe von Hypotheken berücksichtigen Banken normalerweise ein Zinsniveau von 5 Prozent. Davon sei man mit der Aufhebung noch meilenweit entfernt, so Marmet. Er meint: «Die Miete wird wieder attraktiver gegenüber dem Eigenheim-Kauf.»

Gute Nachrichten

Laut Marmet ist die Aufhebung der Negativzinsen eine gute Nachricht. Die Inflation belastet insbesondere Haushalte mit tieferem Einkommen, erklärt er. Die hätten weniger Ausweichmöglichkeiten, wenn die Produkte teurer würden.

Auch der vom Seco prognostizierten schwächelnden Wirtschaftsleistung sieht Marmet ruhig entgegen: «Der Schweizer Arbeitsmarkt ist sehr robust und mag den Abschwung verkraften.»

Das Ende einer Ära

Vor acht Jahren war die Welt noch eine andere. Griechenland stand knapp vor dem Konkurs, Europa sah sich mit den Herausforderungen der Flüchtlingskrise konfrontiert und irgendwo dazwischen stand die stabile Schweiz.

Doch als am 15. Januar 2015 die SNB entschied, den sei 2011 geltenden Euro-Mindestkurs von 1 Franken 20 aufzulösen, rumpelte es im Land. Der Frankenschock sass besonders in der Exportbranche und dem Tourismus tief. Als Gegenmassnahme führte die SNB den Negativzins ein. Damit bezahlen Banken, die ihre Guthaben bei der Nationalbank deponierten, einen Strafzins.

Geld in der Schweiz anzulegen wurde für Ausländische Investoren attraktiver und Schweizer sollten animiert werden, Franken im Ausland anzulegen. Mit dem geldpolitischen Instrument der Negativzinsen steuerte die SNB die Schweiz sicher durch instabile Zeiten.