Gas-Grossmacht Putin gibt Gas — Drei neue Pipelines und ein Problem

dpa

2.12.2019

Blick auf die Baustelle der Übernahmestation der Ferngasleitung Eugal. Durch die Übernahmestation soll zum Jahresende das erste russische Erdgas aus der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 ins europäische Gasnetz gespeist werden.
Blick auf die Baustelle der Übernahmestation der Ferngasleitung Eugal. Durch die Übernahmestation soll zum Jahresende das erste russische Erdgas aus der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 ins europäische Gasnetz gespeist werden.
Bild: Stefan Sauer/zb/dpa (Archivbild)

«Kraft Sibiriens», «Turkish Stream» und «Nord Stream 2» — gleich drei neue internationale Gasleitungen nimmt Russland in diesem Winter in Betrieb. Die Gas-Grossmacht baut damit ihren Einfluss in Europa und Asien weiter aus. Dabei würde mancher «Gas-Putin» gern noch stoppen.

Pünktlich zum Start in den Winter ist Kremlchef Wladimir Putin in seinem Element — mit dem Knopfdruck für das grösste Gas-Pipeline-Projekt seines Lebens. Kraft Sibiriens — auf Russisch: Sila Sibiri — heisst diese erste Leitung zwischen Russland und China. Jährlich 38 Milliarden Kubikmeter Gas will die Energiegrossmacht künftig durch die am Ende 3000 Kilometer lange Leitung in das Reich der Mitte pumpen. Putin und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping haben lange auf den Moment hingearbeitet. Aber für Russland und seinen Gasmonopolisten Gazprom ist das erst der Anfang in der kalten Jahreszeit. Die blaue Flamme — das Gazprom-Symbol - soll auch zum Start zweier weiterer Grossprojekte brennen.

Kurz nach dem Start ins neue Jahr will Putin am 8. Januar in der Türkei mit Präsident Recep Tayyip Erdogan die durch das Schwarze Meer verlegte Leitung Turkish Stream in Betrieb nehmen. Ein zweiter Strang soll dann Gas später womöglich durch Griechenland leiten und von dort weiter nach Süd- und Südosteuropa. Am heikelsten aber ist weiter für den bisweilen auch scherzhaft «Gas-Putin» genannten Kremlchef der Start der neuen Ostseepipeline Nord Stream 2.

Befreundete Staaten wollen Projekt stoppen

Die USA, mehrere EU-Staaten und vor allem die Ukraine wollen die 1230 Kilometer lange Leitung am liebsten stoppen. US-Präsident Donald Trump hatte die Europäer davor gewarnt, sich zu Geiseln russischer Energielieferungen zu machen. Er hofft, mit dem umstrittenen Fracking-Verfahren gewonnenes Flüssiggas in Europa zu verkaufen. Doch kann Russland aus seinen immensen Lagerstätten den Rohstoff noch lange deutlich günstiger anbieten — zumal auch die Preise aktuell vergleichsweise niedrig sind.

Die Rohre für Nord Stream sind schon zu mehr als zwei Dritteln am Boden der Ostsee verlegt — und könnten noch bis Ende des Jahres den deutschen Anlandepunkt nahe Greifswald erreichen. Kostenpunkt rund zehn Milliarden Euro. 55 Milliarden Kubikmeter Gas sollen damit künftig in die EU fliessen. «Sie werden versuchen, es in diesem Jahr fertig zu bekommen», sagte Energieminister Alexander Nowak vor einigen Tagen. Auch der Kreml hofft, dass der Zeitplan trotz Verzögerungen bei den Genehmigungen in Dänemark eingehalten werden kann.

Der russische Vize-Regierungschef Dmitri Kosak geht aber davon aus, dass die Leitung erst Mitte 2020 voll funktionsfähig sein wird. Die Russen schauen derweil immer noch aufmerksam auf die USA. Ihre Hoffnung ist gross, dass die von Washington angedrohten Sanktionen gegen Nord Stream 2 schon aus Zeitgründen nicht mehr kommen, bevor die Pipeline fertig ist.

Russische Medien euphorisch

Nahezu euphorisch berichteten deshalb russische Medien über den ebenfalls am Montag in Deutschland angesetzten Start der «Begasung» der neuen EUGAL-Pipeline von Lubmin bei Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern). Sie soll künftig Gas aus der Leitung Nord Stream 2 erhalten. EUGAL führt auf 480 Kilometern Länge Richtung Süden nach Deutschneudorf (Sachsen) bis nach Tschechien. Und sie verläuft grösstenteils zur Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung (OPAL). Hier hofft Gazprom, dass die OPAL künftig wieder mit deutlich mehr Gas aus der Nord Stream 1 bespeist werden kann.

Nach Deutschlands Ausstieg aus der Atom- und Kohle-Energie setzt Russland darauf, die Lücke künftig mit seinem Gas zu füllen. Vor allem aber wegen der Unsicherheiten über den genauen Start von Nord Stream 2 ist Russland vorerst weiter auf den Transit seines Gases durch die Ukraine angewiesen. Der Vertrag über Durchleitungsmengen und -gebühren läuft Ende dieses Jahres aus. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Nachdem aber Russland und die Ukraine lange unter Vermittlung der EU-Kommission ohne Ergebnis verhandelt hatten, trafen sich in der vergangenen Woche erstmals wieder Gasmanager beider Länder bilateral.

Kremlchef Putin hatte zuletzt bei einem Telefonat seinen ukrainischen Kollegen Wolodymyr Selenskyj vor einem Transitstopp zum Jahresende gewarnt, sollte es keine neue Einigung geben. Die beiden Politiker treffen sich in einer Woche in Paris zum ersten Ukraine-Gipfel (9. Dezember) seit mehr als drei Jahren. Dabei geht es vor allem um eine Lösung des blutigen Konflikts im Donbass — unter Vermittlung der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Weder Kiew noch Moskau schliessen aber ein bilaterales Gespräch Putins mit Selenskyj aus. Dabei könnte es auch um einen neuen Gasvertrag gehen.

Ein wirtschaftliches Interesse haben beide Seiten daran: Die krisengeschüttelte Ukraine ist von den russischen Gebühren für die Durchleitung des Gases in die EU abhängig. Und Russland braucht das grösste Transitland noch, um sein Gas nach Westeuropa zu pumpen und dort die Energiesicherheit zu gewährleisten. Auch nach dem Start der Pipeline Kraft Sibiriens nach China bleibt Europa nämlich für Gazprom der wichtigste Exportmarkt — mit 201,7 Milliarden Kubikmetern im vergangenen Jahr.


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