SBB und BLS versuchen, die Lücken beim Lokpersonal unter anderem mit Sonderzulagen zu entschärfen. Bei den SBB fehlen pro Tag durchschnittlich 30 Lokomotivführer. Auch die Planer und Einteiler sind am Anschlag.
Das sagte SBB-Mediensprecher Raffael Hirt am Donnerstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA zu einem entsprechenden Bericht im «Blick». Unter anderen Massnahmen richteten die SBB eine Sonderzulage von 80 Franken für Lokführer aus, die an ihren freien Tagen einspringen.
Dass im SBB-Personen- und -gütervekehr täglich rund 30 Lokführer fehlten, hat laut Hirt verschiedene Gründe. Zum einen müssten die Lokführer im Personenverkehr die während der Eventsaison im Sommer geleisteten Zusatzdienste nun kompensieren können. Deshalb sei die Personalsituation an verschiedenen Wochentagen «weiterhin angespannt».
Brennpunkt Brig
Zum anderen fehlten bei SBB-Cargo in Brig Lokführer vor allem wegen mehreren Krankheitsfällen. Gleichzeitig brauche es im sogenannten Ganzzugsbereich mehr Lokführer. Dank dem grossen Einsatz des Personals sei es nur zu einzelnen Zugausfällen gekommen, auch weil Lokführer aus anderen Depots in Brig aushelfen.
Neuerdings stehe sogar die Güterzustellung zu den Lonza-Werken in Visp in Frage, berichtete in diesem Zusammenhang der Verband der Schweizerischen Lokführer und Anwärter (VSLF) in seinem neusten Newsletter.
Befristete Prämie bei BLS
Bei der BLS sei die Lage nicht akut, es gebe aber Engpässe, teilte Mediensprecherin Tamara Traxler auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA schriftlich mit.
Sie bestätigte, dass das Unternehmen den Lokführerinnen und Lokführern «als Dankeschön» eine Prämie von 100 Franken überweise, wenn diese für eine zusätzliche Schicht einspringen könnten. Diese Massnahme sei bis April 2020 befristet. Man sei sich bewusst, dass Einsatz und Flexibilität des Lokpersonals gross seien.
Traxler wies weiter darauf hin, dass die BLS nächstes Jahr drei zusätzliche Klassen für die Ausbildung von Lokpersonal führen wird. In insgesamt sieben Klassen werden 56 Aspiranten ausgebildet. Damit will das Bahnunternehmen der Pensionierungswelle entgegentreten, die aufgrund der demografischen Entwicklung absehbar ist.
SBB haben zu defensiv geplant
Die SBB haben derzeit 14 Ausbildungsklassen am Laufen. Diese Zahl soll laut Hirt nächstes Jahr noch leicht steigen. Die Lage bleibe allerdings anspruchsvoll, weil viele Branchen das gleiche Profil suchten und geburtenstarke Jahrgänge nächstens ins Rentenalter kämen. Der SBB-Sprecher räumte ein, dass die Rekrutierung zu defensiv geplant sei, man werde die Bedarfsplanung verbessern.
Der andauernde Personalengpass bei den Lokführern hat laut VSLF-Newsletter auch Auswirkungen auf die Personalplaner, die unter «massiver Belastung» stehen. Erste Mitarbeitende sind laut VSLF «mit eindeutigem Burnout-Symptom» ausgefallen. Zum Teil mussten sie mit der Ambulanz am Arbeitsplatz abgeholt werden. Erleichterung sei nicht in Sicht, weitere Ausfälle bei Planern und Einteilern absehbar.
SBB-Sprecher Hirt bestätigte einzelne Ausfälle. In einem Fall sei eine Ambulanz aufgeboten worden, nachdem ein Mitarbeiter über Unwohlsein geklagt hatte.
«Belastung weiterhin hoch»
Generell stelle die Sozialberatung der SBB keine signifikante Zunahme von Anfragen des Lokpersonals fest. Die Belastung für diese Mitarbeiter sei aber «weiterhin hoch». Das Unternehmen nehme jeden Einzelfall sehr ernst und biete individuelle Unterstützung an. Führungskräfte würden entsprechend sensibilisiert.
Die BLS hat erst kürzlich die Einführung eines neuen Systems für die Einsatzplanung von Zügen und Personal gestoppt. Die neue Software genügte den Anforderungen insbesondere bezüglich kurzfristiger Störungsbehebungen nicht. Die Planung mit dem alten System ist sehr zeitintensiv. Die BLS hatte sich 2016 zum Ziel gesetzt, die Software bis 2021 durch ein neues, schnelleres System zu ersetzen.
«Digitalisierungsnebel»
Der VSLF vermisst mit Verweis auf dieses Beispiel die «kluge Voraussicht», mit der dieses langwierige Geschäft geführt werden müsste. Die Voraussicht scheine «im Digitalisierungsnebel untergegangen zu sein». Mit dem Verzicht auf das Ressourcenplanungssystem hat die BLS rund 20 Millionen Franken zumindest teilweise in den Sand gesetzt.
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