Die Bevölkerung nimmt grössere Unterschiede zwischen Land und Stadt wahr. Vor allem die grossen Städte werden dabei als bestimmend betrachtet – das, obwohl sie häufig bei Volksabstimmungen unterliegen.
cz, sda
30.03.2023, 09:00
30.03.2023, 10:07
SDA
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In einer neuen Unfrage wächst die Zahl jener Personen, die einen grossen Stadt-Land-Gegensatz wahrnimmt.
Zugleich stabilisiert sich der politische Stadt-Land-Gegensatz.
Die Identifikation mit dem Land steigt.
Die Versorgungssicherheit gewinnt immer mehr an Bedeutung.
Der Stadt-Land-Graben bleibt in der Wahrnehmung der Bevölkerung gross. In einer Umfrage im Auftrag des Agrarkonzerns Fenaco haben zwei Drittel der Befragten einen grossen Graben zwischen Stadt und Land festgestellt, 3 Prozentpunkte mehr als noch in einer Umfrage 2021.
Zugenommen hat insbesondere der Teil der Befragten, die zwar einen grossen Stadt-Land-Gegensatz wahrnimmt, zugleich aber überzeugt ist, dass die Schweiz diesen gut auszuhalten vermag. Ihr Anteil nahm von 40 auf 46 Prozent zu. Eine Belastungsprobe für die Schweiz sehen gegenwärtig 21 Prozent der rund 3000 Befragten, wie Fenaco und das Forschungsinstitut Sotomo am Donnerstag vor den Medien in Bern erläuterten.
Stimmverhalten wieder im langjährigen Schnitt
Der politische Stadt-Land-Gegensatz stabilisiert sich, wie eine Analyse des Stimmverhaltens nahelegt. Während das Stimmverhalten zwischen Grossstadt und Land in den Jahren 2020 und 2021 voneinander abgewichen ist, bewegte sich der Stadt-Land-Gegensatz 2022 dagegen wieder im langjährigen Durchschnitt, wie es in der Umfrage heisst.
Eine Ausnahme bildet die Volksinitiative gegen Massentierhaltung (2022), die zu den Top-5-Abstimmungen mit der grössten Stadt-Land-Differenz seit 1981 gehört. Fünf der zehn Abstimmungen mit der grössten Stadt-Land-Differenz betreffen die Landwirtschaft.
Die Auswertung der Umfrage hat ergeben, dass die Identifikation mit dem Land steigt. Zwar sieht sich noch immer etwas mehr als die Hälfte der Schweizerinnen und Schweizer nicht als Teil des Stadt-Land-Gegensatzes. Seit 2021 hat sich jedoch der Anteil, der sich auf die Seite des Lands stellt, von 25 auf 30 Prozent erhöht. Gleichzeitig identifizieren sich nur noch 18 statt 20 Prozent mit der Stadt.
Städte in der Defensive
Auch wenn die grossen Städte besonders häufig bei Volksabstimmungen unterliegen, werden sie als bestimmend wahrgenommen. In den Städten werden namentlich gesellschaftliche Trends gesetzt, wirtschaftliche Weichen gestellt und Medieninhalte definiert. Im Vergleich zu 2021 gaben in der aktuellen Befragung jedoch mehr Befragte an, dass die Interessen des ländlichen Raums nicht nur bei Volksabstimmungen, sondern auch in der Bundespolitik mehr Gewicht hätten.
Der Anteil der grossstädtischen Bevölkerung, der findet, die urbanen Interessen erhielten auf dem Land genug Beachtung, ist von 37 auf 28 Prozent gesunken. Obwohl die grösseren Städte im neuen Bundesrat nicht mehr vertreten sind, sind aber rund zwei Drittel der Befragten der Ansicht, dass die Interessen der Städte im aktuellen Bundesrat ausreichend vertreten sind.
Versorgungssicherheit immer wichtiger
Die Versorgungssicherheit, die bereits während der Corona-Pandemie vieldiskutiert worden war, hat durch den Krieg in der Ukraine und die drohende Energiemangellage weiter an Interesse gewonnen. Der Stadt-Land-Monitor 2023 zeigt, dass sich die Schweizer Bevölkerung unabhängig vom Wohnort eine Stärkung der einheimischen Produktion wünscht. Eine grosse Mehrheit möchte den Anteil der im Inland produzierten Nahrungsmittel erhöhen, und zwar im Durchschnitt von aktuell 57 auf über 70 Prozent.
Der Selbstversorgungsgrad bei der Energie soll von zurzeit rund 30 auf durchschnittlich fast 70 Prozent mehr als verdoppelt werden. Um den Selbstversorgungsgrad bei der Energie zu erhöhen, will die Bevölkerung vor allem mehr Energie im Inland produzieren und dank Innovationen die Energieeffizienz steigern. Verzicht ist für die Mehrheit keine Option.
Einzig in grösseren Städten geben 54 Prozent der Befragten an, ihren Energieverbrauch senken zu wollen. Deutlich befürwortet wird der Zubau von Solaranlagen an Gebäuden und auf Freiflächen sowie die Förderung der Wasser- und Windkraft. Für neue Atomkraftwerke sprechen sich nur 28 Prozent der Befragten aus.