«Das Urteil ist falsch»Vincenz' Anwalt will die Haftstrafe anfechten
SDA/phi
12.4.2022
Hier schreitet Pierin Vincenz zu seinem Urteil
Das Bezirksgericht Zürich verkündet heute Mittwoch sein Urteil gegen den ehemaligen Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz, seinen Geschäftskollegen Beat Stocker sowie die fünf weiteren Mitbeschuldigten. Die Urteilseröffnung beginnt um 08.30 Uhr.
Nach acht teilweise zähen Verhandlungstagen gingen die Befragungen und Plädoyers am 22. März zu Ende. Auch in seinem Schlusswort betonte Vincenz, dass er in seinen zwanzig Jahren bei Raiffeisen zwar Fehler gemacht und manchmal übertrieben habe. Er habe aber «nichts Unrechtmässiges getan».
13.04.2022
Das Bezirksgericht Zürich hat Pierin Vincenz und seinen Mitangeklagten Beat Stocker zu mehreren Jahren Haft verurteilt. Der Anwalt des früheren Chefs der Raiffeisen-Bank kündigt Berufung an.
SDA/phi
12.04.2022, 11:52
13.04.2022, 12:31
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Update: siehe unten.
Das Bezirksgericht Zürich hat den ehemaligen Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz wegen mehrfacher Veruntreuung, mehrfacher ungetreuer Geschäftsbesorgung und Urkundenfälschung schuldig gesprochen. Er muss eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten absitzen.
Diese Freiheitsstrafe wird vollzogen, wie es im Urteil vom Mittwochmorgen heisst. Dazu kommt eine bedingte Geldstrafe von 280 Tagessätzen zu 3000 Franken. Ausserdem muss Vincenz der Raiffeisenbank 236'000 Franken zurückzahlen. Vincenz' ebenfalls schuldig gesprochener Geschäftskollege Beat Stocker erhielt eine Freiheitsstrafe von vier Jahren, die er absitzen muss. Eine Geldstrafe von 160 Tagessätzen zu 3000 Franken wird aufgeschoben.
Das Bezirksgericht Zürich hat die Art der Spesenabrechnung von Pierin Vincenz bei der Urteilseröffnung harsch kritisiert. Die vielen Besuche in Stripclubs und Cabarets seien «nicht im Interesse der Raiffeisen» gewesen. Dieses Verständnis, dass alle Auslagen unter Spesen fallen würden, gehe «deutlich zu weit», sagte der Richter. Auch Beziehungspflege habe Grenzen. Für das Bezirksgericht liegt diese Grenze bei 1000 Franken pro Lokal-Besuch, nicht mehr.
Vincenz habe sich deshalb der ungetreuen Geschäftsbesorgung schuldig gemacht. Auch bei einem Tinder-Date, das Vincenz als «Bewerbungsgespräch» bezeichnet hatte, und bei der Renovation eines verwüsteten Hotelzimmers habe Vincenz «seine Funktion verlassen». Er habe sich deshalb auch der Veruntreuung schuldig gemacht.
Verschulden «erheblich»
Bei den Firmenbeteiligungen habe Vincenz teilweise eine hohe kriminelle Energie bewiesen. Insgesamt sei sein Verschulden «erheblich». Er habe seine hohe Vertrauensposition missbraucht. Man müsse ihm aber zugute halten, dass keine «einfachen Bürger» geschädigt worden seien. Zudem habe die Raiffeisen intern keinen richtigen Kontrollmechanismus gehabt, so der Richter.
Vincenz und Stocker sollen sich versteckt an Firmen beteiligt und danach dafür gesorgt haben, dass diese Unternehmen durch die Raiffeisen oder die Kreditkartenfirma Aduno aufgekauft wurden. Bei diesen Transaktionen und Übernahmen sollen Vincenz und Stocker unrechtmässige Gewinne in Millionenhöhe eingestrichen haben.
Nach acht teilweise zähen Verhandlungstagen waren die Befragungen und Plädoyers am 22. März zu Ende gegangen. Auch in seinem Schlusswort hatte Vincenz betont, dass er in seinen zwanzig Jahren bei Raiffeisen zwar Fehler gemacht und manchmal übertrieben habe. Er habe aber «nichts Unrechtmässiges getan».
Anwalt will Berufung einlegen
Das überraschend harte Urteil gegen den ehemaligen Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz wird ein Fall fürs Zürcher Obergericht. Sein Anwalt Lorenz Erni ist mit dem Schuldspruch alles andere als zufrieden. «Das Urteil ist falsch und es gibt eine Berufung», sagte Erni kurz nach der Urteilseröffnung. Mehr gebe es dazu nicht zu sagen. Pierin Vincenz wollte sich nach der Urteilseröffnung nicht selber äussern.
Der zweite Hauptbeschuldigte, Beat Stocker, ist nach wie vor von seiner eigenen Unschuld überzeugt. Er sei absolut nicht einverstanden mit dem Urteil, sagte er nach der Urteilseröffnung. «Es ist wahrscheinlich, dass eine zweite Instanz das Urteil prüfen wird», sagte sein Anwalt Andreas Blattmann gegenüber Keystone-SDA. Zuerst werde das Urteil aber analysiert.
Zufriedener zeigte sich Staatsanwalt Marc Jean-Richard-dit-Bressel. Das Gericht habe ein differenziertes und kritisches Urteil gefällt. Die Anklage sei in den wesentlichen Punkten durchgedrungen. Die Strategie der Anklagebehörden sei in der ersten Instanz somit aufgegangen. Ob er ebenfalls an die zweite Instanz gelangt und dort eine Verschärfung der Strafen fordert, ist noch offen. Er warte das schriftliche Urteil und das Verhalten der anderen Parteien ab.
Stimmen zum Vincenz-Prozess: «Reicht es nicht fürs Rotlicht, wenn man 40 Millionen verdient?»
Nachgefragt in Zürich: Der Raiffeisen-Prozess sorgt für kräftiges Rauschen im nationalen Blätterwald, aber wie aufgeregt sind eigentlich Herr und Frau Schweizer? Verlieren sie ihren Glauben an ihre Bank und die Welt?