Schweizer Gesetze ignoriert Uber-Whistleblower: «Wir haben die Demokratie untergraben»

lt, sda

7.1.2023 - 09:30

Taxichauffeure protestieren im Oktober 2022 am Flughafen in Genf gegen die weitere provisorische Zulassung von Uber. (Archivbild)
Taxichauffeure protestieren im Oktober 2022 am Flughafen in Genf gegen die weitere provisorische Zulassung von Uber. (Archivbild)
Keystone

Ein ehemaliger Uber-Lobbyist berichtet über die Geschäftspraxis des Unternehmens. Demnach hat man hier bewusst Schweizer Regeln gebrochen, um erfolgreich zu sein. 

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 Schwere Vorwürfe gegen den Fahrdienst Uber hat ein ehemaliger Mitarbeiter erhoben. Das Unternehmen habe in zahlreichen Ländern gesetzliche Regeln bewusst ignoriert – auch in der Schweiz. Uber räumt Fehler ein. Inzwischen habe man aber das Geschäftsmodell angepasst.

«Das Mantra des Unternehmens war, nicht nach Erlaubnis zu fragen, sondern einfach loszulegen», sagte der frühere Uber-Top-Lobbyist und jetzige Whistleblower Mark MacGann den Tamedia-Zeitungen vom Samstag. Für das Unternehmen sei es profitabler gewesen, sich später zu entschuldigen, als vorher zu fragen.

Man habe die Regeln in der Schweiz gekannt, so MacGann. Und Uber beim Markteintritt 2013 gewusst, dass man kein erfolgreiches Geschäft haben werde, wenn die Regeln eingehalten würden. «Also haben wir sie einfach auf die Seite geschoben».

«Ziemlich einfach»

Uber habe sich gesagt: «Diese lokalen Gesetze über Lizenzen passen nicht zu unserem Geschäftsmodell. Wir ignorieren sie jetzt einfach». In Zürich und Genf sei das ziemlich einfach gewesen.

Das Geschäftsmodell von Uber sei nur profitabel, wenn die Fahrer nicht als Angestellte behandelt würden, sagte MacGann. Hätte Uber für die Rente, die Krankenversicherung und die Ferien der Fahrer einzahlen müssen, wäre das nicht finanzierbar gewesen.

Uber räumte in einer Stellungnahme zuhanden der Tamedia-Zeitungen ein, das Unternehmen sei sich bewusst, in der Anfangszeit Fehler gemacht zu haben: «Wir werden nicht versuchen, diese zu rechtfertigen.»

Allerdings habe man das Geschäftsmodell in den letzten Jahren an die in der Schweiz geltenden Bestimmungen angepasst. «Bei all dem legen wir heute grossen Wert darauf, ein zuverlässiger und vertrauenswürdiger Partner für die Städte und Gemeinden zu sein, in denen wir aktiv sind», wird der Fahrdienst zitiert. Eine Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA blieb zunächst ohne Antwort.

Zehntausende Dokumente

Das Tamedia-Recherchedesk hatte zusammen mit verschiedenen europäischen Zeitungen 120'000 interne Dokumente ausgewertet, die ihnen vom Whistleblower MacGann zugespielt worden waren. Die Artikel wurden am Samstag veröffentlicht.

Im Bericht ist auch die Rede von aggressivem Lobbying auf Bundes- und Kantonsebene. Die Beraterfirma Hirzel Neef Schmid schrieb dazu, man habe von Anfang an darauf hingearbeitet, dass Uber ein Geschäftsmodell im Einklang mit den Gesetzen betreibe. Das Beratungsunternehmen Farner Consulting, das später ein Mandat von Uber übernahm, argumentierte, es gehöre zum Wesen der Demokratie, dass Firmen gegenüber dem Gesetzgeber und Behörden versuchten, ihre Interessen wahrzunehmen.

Heftige Kritik am Gebaren von Uber übte die Gewerkschaft Unia. «Das ist schlicht und einfach der grösste Schwarzarbeit-Skandal, den die Schweiz je gesehen hat», wurde Unia-Sekretär Roman Künzler im Artikel zitiert.

Millionen-Nachzahlung in Genf

Die Arbeitsbedingungen der Fahrerinnen und Fahrer von Uber hatten im vergangenen Jahr insbesondere im Kanton Genf für Schlagzeilen gesorgt. Das Bundesgericht hatte Ende Mai entschieden, dass Uber in Genf unter das Gesetz über Taxis und Transportfahrzeuge fällt und deshalb seine Fahrer wie Angestellte und nicht wie Selbstständige behandeln muss.

Der Kanton hatte dem Fahrdienst daraufhin vorerst die Tätigkeit untersagt, das Verbot aber später sistiert. Im November hatte sich Uber bereiterklärt, 35,4 Millionen Franken zu bezahlen, um seinen Verpflichtungen als Arbeitgeber in Genf nachzukommen.