Mittels optogenetischer Behandlung wird die Netzhaut eines Blinden lichtempfindlich gemacht. Eine Spezialbrille nimmt Bilder aus dem Alltag auf und wandelt diese in Lichtimpulse um.
Dem Patienten gelang es während einer Testreihe, mithilfe der Spezialbrille ein Notizbuch auf einem Tisch wahrzunehmen und zu berühren.
Blinder erlangt Teil seines Sehvermögens zurück - Gallery
Mittels optogenetischer Behandlung wird die Netzhaut eines Blinden lichtempfindlich gemacht. Eine Spezialbrille nimmt Bilder aus dem Alltag auf und wandelt diese in Lichtimpulse um.
Dem Patienten gelang es während einer Testreihe, mithilfe der Spezialbrille ein Notizbuch auf einem Tisch wahrzunehmen und zu berühren.
Ein erblindeter Patient hat nach einer optogenetischen Behandlung einen Teil seines Sehvermögens zurückerlangt. Von dieser Fallstudie berichtet ein internationales Forschungsteam mit Basler Beteiligung am Montag im Fachmagazin «Nature Medicine».
Bei dem 58-jährigen Patienten wurde vor fast 40 Jahren die unheilbare Augenkrankheit Retinitis pigmentosa diagnostiziert. Diese wird durch Mutationen in mehr als siebzig Genen verursacht. Bei der Krankheit sterben die Lichtrezeptoren in der Netzhaut ab, sodass Betroffene nach und nach ihr Augenlicht verlieren, bis hin zur Blindheit.
Doch der blinde Patient konnte nun dank einer Spezialbrille verschiedene, auf einem weissen Tisch liegende Objekte erkennen, zählen, lokalisieren und berühren, wie die Forschenden um Botond Roska und José-Alain Sahel berichten. Ebenfalls habe der Patient Zebrastreifen auf der Strasse erkennen und die Anzahl der Streifen zählen können.
Licht an
«Das ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg hin zu einer Therapie für Menschen mit genetischen Augenkrankheiten», sagte Roska, Direktor am Institut für Molekulare und Klinische Ophthalmologie Basel (IOB) und Professor an der Universität Basel. Vor rund 13 Jahren berichteten er und sein Team erstmals, dass blinde Mäuse nach einer optogenetischen Behandlung wieder sehen konnten.
Bei der Optogenetik handelt es sich um eine Technologie, bei der sich Zellen gezielt mit Licht ein- und ausschalten lassen.
Dafür setzten die Forschenden zunächst auf ein adenoassoziiertes Virus als «Fähre», um den genetischen Bauplan für lichtempfindliche Proteine in die erkrankten Netzhautzellen in eines der Augen des Patienten zu schleusen. Dort übernehmen die Proteine die Aufgabe der abgestorbenen Fotorezeptoren und die empfangenen Signale werden über den Sehnerv weiter ans Gehirn geleitet. Das unbehandelte Auge diente in der Studie als Kontrolle.
Aufwendiges Training
Viereinhalb Monate nach der Injektion begann der Patient sein Training mit einer Spezialbrille, die Bilder aus dem Alltag aufnimmt und in Lichtimpulse umwandelt. Diese werden dann in Echtzeit auf die Netzhaut projiziert, um die genetisch veränderten Zellen zu stimulieren. Ab dem siebten Monat nach Beginn des Trainings habe der Patient begonnen, über Anzeichen einer Sehverbesserung zu berichten, schreiben die Forschenden.
So gelang es dem Patienten mithilfe der Brille in einer Testreihe, in 92 Prozent der Fälle ein grosses Notizbuch wahrzunehmen, zu lokalisieren und zu berühren, wie das IOB in einer Mitteilung schrieb. Bei einer kleinen Schachtel mit Heftklammern gelang ihm dies in 36 Prozent der Fälle.
Ein langer Weg
Die Technologie führe derzeit nicht dazu, dass blinde Menschen scharf sehen können, etwa, um Zeitung zu lesen oder Gesichter zu erkennen, räumte Roska ein. Zudem sei es wichtig gewesen, dass der Patient nicht von Geburt an blind war, sondern sein Augenlicht erst im späteren Verlauf des Lebens verloren hatte.
Die Ergebnisse der Fallstudie deuten aber auf einen vielversprechenden Weg hin, blinden Patienten mit fortgeschrittener Retinitis pigmentosa einen Gewinn an Lebensqualität zu ermöglichen. «Es wird aber noch einige Zeit dauern, bis diese Therapie den Patienten angeboten werden kann», liess sich Sahel, Professor für Ophthalmologie und Gründungsdirektor des Institut de la Vision in Paris, in der Mitteilung zitieren.
So sind etwa längere Untersuchungen zu Wirksamkeit und Sicherheit an einer grösseren Stichprobe von Patienten nötig.