Koreakrieg Das blutige Tauziehen um Seoul

Von Philipp Dahm

14.3.2021

Vor 70 Jahren erobern Amerikaner, Südkoreaner und Verbündete Seoul zurück – mal wieder. Trotz des Erfolgs denkt US-General MacArthur über den Einsatz von Atomwaffen nach, um den Koreakrieg zu beenden.

Von Philipp Dahm

Seoul ist heute eine Stadt der Superlative: Rund 10 Millionen Einwohner leben in der viertgrössten Wirtschaftsmetropole-Region der Welt: Nur Tokio, New York und Los Angeles erwirtschaften mehr.

Was im Zusammenhang mit Seoul jedoch leicht vergessen geht: Es sind bloss bummelig 30 Kilometer vom Rand der Metropole zur Grenze mit seinem Todesstreifen, der Süd- von Nordkorea trennt.

Lage Seouls mit der Grenze zu Nordkorea als gelben Strich: In neun Monaten zwischen 1950 und 1951 vier Mal erobert.
Lage Seouls mit der Grenze zu Nordkorea als gelben Strich: In neun Monaten zwischen 1950 und 1951 vier Mal erobert.
Karte: Google Earth

Vor Beginn des Krieges zwischen den beiden Staaten zählt Seoul 1,2 Millionen Einwohner. Als sie heute vor 70 Jahren von den Uno-Truppen zum vierten Mal erobert wird, harren noch rund 200'000 Menschen dort aus – und der einst so wohlgelittene Ort gleicht einem Trümmerfeld.

Seoul steht von Beginn an im Fadenkreuz Pjöngjangs: Am 25. Juni 1950 bricht der Krieg aus – und nur drei Tage später fällt die Stadt, die wie der Rest Südkoreas vom Angriff aus dem Norden vollkommen überrascht wird. Ausrüstung und Training der Armee lassen zudem zu wünschen übrig: Die Truppen der Republik sind von Anfang an in der Defensive.

Ein Jahr vor und zurück, zwei Jahre Stellungskrieg

Seoul wird zwar im Uno-Auftrag am 14. März von Amerikanern und Verbündeten zurückerobert, aber das dann bereits zum vierten Mal – also in nur neun Monaten – und anschliessend wird die Volksarmee aus dem Norden die Stadt ein fünftes Mal belagern. Diesmal jedoch erfolglos. Danach artet der Konflikt bald in einen Stellungskrieg aus, der bis zu seinem Ende anhält.

So wie das Hin und Her in der Hauptstadt, so auch das Vor und Zurück im gesamten Krieg: Im ersten Jahr werden Südkoreaner, Amerikaner, Briten, Neuseeländer, Kanadier, Australier, Filipinos und weitere Verbündete erst weit zurückgedrängt, doch dann gelingt ihnen von amphibischen Einheiten flankiert eine Zangenbewegung, die Seouls Besatzer vom Nachschub abschneidet.

Im September 1950 gelingt die erste Rückeroberung, doch schon im Januar 1951 kämpft sich die Volksarmee mithilfe chinesischer «Freiwilliger» in die Stadt zurück. Die erneute Offensive des Uno-Militärs – Operation Ripper – beginnt am 7. März. Fünf Tage später ziehen sich Pjöngjangs Einheiten zurück und zwei Tage später weht über Seoul wieder Südkoreas Flagge.

MacArthur für Atombomben-Abwurf 

Ein blutiger Häuserkampf wie im September bleiben der 8. US-Armee und ihren Verbündeten unter General Matthew Ridgway erspart. Ridgway ist es auch, der knapp einen Monat später General Douglas MacArthur als obersten Kommandeur beerbt: Sein Vorgänger ist zu aggressiv gegenüber China und hat laut über den Einsatz von Atombomben nachgedacht.

GIs im Mai 1951 nahe Hongchon in Stellung: Zwei von drei Jahren Koreakrieg sind Grabenkrieg.
GIs im Mai 1951 nahe Hongchon in Stellung: Zwei von drei Jahren Koreakrieg sind Grabenkrieg.
KEYSTONE

Nachdem im April 1951 eine grossangelegte Gegenoffensive mit rund 700'000 nordkoreanischen und chinesischen Soldaten scheitert, beginnen im Juli 1951 die Grabenkämpfe auf Höhe des 38. Breitengrades, die bis zum Waffenstillstand im Juli 1953 andauern und kaum Geländegewinne sehen.

Einen Friedensvertrag unterzeichnen die Konfliktparteien nie, einigen sich aber auf die Einrichtung einer demilitarisierten Zone, die eine Kommission von Militärs aus der Schweiz und Schweden überwacht.

Abzeichen der Schweizer und Schweden im Dienst der sogenannten Neutral Nations Supervisory Commission (NNSC) auf einem Foto von der Übung «Key Resolve/F» im Jahr 2008.
Abzeichen der Schweizer und Schweden im Dienst der sogenannten Neutral Nations Supervisory Commission (NNSC) auf einem Foto von der Übung «Key Resolve/F» im Jahr 2008.
Bild: Lou Rosales

Ein hoher Blutzoll

Der Koreakrieg dauert drei Jahre, einen Monat und zwei Tage. Trotz dieses überschaubaren Zeitraums kostet er geschätzt 3 Millionen Menschen das Leben. Von den bis zu 326'863 Amerikanern, die in Asien gekämpft haben, kehren 36'574 nicht nach Hause zurück.

In Seoul werden gut 190'000 Gebäude, 55'000 Häuser und 1000 Fabriken zerstört – und dennoch wächst die Stadt nach dem Krieg durch einen Strom von Flüchtlingen auf 2,5 Millionen Einwohner an.

Blick auf Keijo am 1. Januar 1937: Unter japanischer Herrschaft zwischen 1910 und 1945 hiess Seoul Keijo.
Blick auf Keijo am 1. Januar 1937: Unter japanischer Herrschaft zwischen 1910 und 1945 hiess Seoul Keijo.
Bild: Gemeinfrei

Heute leben fast vier Mal so viele in der Metropole, die stetig gewachsen ist, aber heute eben auch ganz in der Nähe einer Grenze liegt, die als eine der gefährlichsten weltweit gilt. Der Konflikt ist immer noch aktuell, schwelend und bedrohlich – was ein Grund mehr ist, sich der Rückeroberung Seouls vor 70 Jahren zu erinnern.