DNA-Analyse 3.0 Das Täterprofil aus dem DNA-Labor

dpa/tali

24.2.2019

Aus DNA-Proben lässt sich rekonstruieren, wie der Träger der DNA wahrscheinlich aussieht. In manchen Ländern ist das zu Ermittlungszwecken bereits zulässig.
Aus DNA-Proben lässt sich rekonstruieren, wie der Träger der DNA wahrscheinlich aussieht. In manchen Ländern ist das zu Ermittlungszwecken bereits zulässig.
Keystone

Eine neue DNA-Analysemethode könnte bislang ungeklärte Mordfälle aufklären und Ermittlern Hinweise auf das Aussehen eines Täters liefern. In der Schweiz ist das verboten – zumindest noch.

Es war der Mord an Marianne V., der die Niederlande zum Umdenken brachte. Das 16-jährige Mädchen war 1999 in der Nähe eines Asylbewerberheims in Nordholland vergewaltigt und ermordet worden. Prompt gerieten drei Asylbewerber unter Verdacht. Rechtspopulisten heizten die Stimmung an, die fast in Gewalt umschlug.

Der Mord wurde nicht aufgeklärt und blieb jahrelang ein «Cold Case» – bis ein Wissenschaftler, auf eigene Faust und ohne Rechtsgrundlage, die Spuren 2012 einer neuartigen DNA-Analyse unterzog. Dabei fand er heraus, dass die Täter-DNA einem Mittel- oder Nordeuropäer zuzurechnen ist. Die Asylbewerber waren entlastet.

Blond oder braun?

Bald wurde der friesische Bauer Jasper C. festgenommen, überführt und verurteilt. Ihm wurde die neue DNA-Analyse 3.0 zum Verhängnis, die sogenannte Phänotypisierung: Sie lässt – unter bestimmten Umständen – Aussagen über Alter, Haar-, Haut- und Augenfarbe sowie die biogeographische Herkunft des Verdächtigen zu. Ein Täterprofil aus dem DNA-Labor.

Der Fall habe dafür gesorgt, dass die neue Methode in den Niederlanden inzwischen anerkannt und zugelassen ist, berichtet die Anthropologie-Professorin Amade M'charek von der Universität Amsterdam jüngst bei einer Fachtagung der NRW-Akademie der Wissenschaften in Düsseldorf. Das neue DNA-Täterprofil kann die Gruppe der Verdächtigen eingrenzen, auch wenn die DNA des Täters unbekannt und nicht in einer Datenbank gespeichert ist. Die herkömmliche DNA-Analyse läuft in solchen Fällen ins Leere.

Nützlich, aber fehleranfällig

Balthasar Glättli fürchtet, dass die Phänotypisierung die Unschuldsvermutung aushebeln könnte.
Balthasar Glättli fürchtet, dass die Phänotypisierung die Unschuldsvermutung aushebeln könnte.
Keystone/Archiv

Doch die neue Methode steht unter Diskriminierungsverdacht. Weist die DNA auf einen Täter einer ethnischen Minderheit hin, ist das zwar ein wertvoller Hinweis für die Ermittler, stellt diese Gruppe aber leicht unter Generalverdacht. Das ist nur ein Grund, aus dem etwa Grünen-Politiker Balthasar Glättli die Phänotypisierung skeptisch sieht. Der zweite: «Dass die Leute dann beweisen müssen, dass sie unschuldig sind – und nicht mehr, dass der Staat beweisen muss, dass sie schuldig sind», erklärte Glättli im vergangenen Jahr SRF.

Zumal sich durch das Verfahren nur Wahrscheinlichkeitsaussagen treffen lassen, die dementsprechend fehleranfällig sind. Dem halten Molekularbiologen entgegen, dies treffe auf Zeugenaussagen in viel grösserem Ausmass zu. Mitarbeiter des Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern traten im vergangenen Jahr den Selbstversuch an – mit durchwachsenen Ergebnissen: Stimmte bei manchen Testpersonen die Vorhersage des Analyse-Geräts, zeigten sich andere unzufrieden. «Das Ganze ist heute also noch mit Vorsicht zu geniessen», zitiert SRF die Abteilungsleiterin Silvia Utz.

Gesetzesvorstoss von der FDP

Zu einem ähnlichen Ergebnis kam eine Gruppe Freiburger Wissenschaftler. Besonders schwierig sei ihrer Erfahrung nach die Bestimmung einer Herkunft aus dem Nahen und Mittleren Osten. Auch bei in gemischten Haar- oder Augenfarben könne keine zuverlässige Aussage getroffen werden.

Könnte eine Vergewaltigung in Emmen durch die neue Analysemethode endlich aufgeklärt werden? Albert Vitali hat Hoffnung.
Könnte eine Vergewaltigung in Emmen durch die neue Analysemethode endlich aufgeklärt werden? Albert Vitali hat Hoffnung.
Keystone/Archiv

Dennoch brachte der Luzerner FDP-Politiker Albert Vitali einen Vorstoss ins Parlament, die Analyse einzelner Gene auch in der Schweiz zu erlauben. Auslöser war für ihn das schwere Schicksal einer Bekannten in Emmen. Die junge Frau wurde 2015 von einem Unbekannten vergwaltigt und ist seither querschnittsgelähmt. Der Täter ist noch immer auf freiem Fuss. Könnte er gefasst werden, wenn man ein DNA-Täterprofil von ihm erstellen dürfte?

Der Fall Eva Blanco

So geschah es im Fall Eva Blanco an, die 1997 in einem Ort bei Madrid einem Sexualmord zum Opfer fiel. Zwar gab es Spermaspuren, aber der Täterkreis konnte nicht eingegrenzt werden. Der Fall blieb lange ungeklärt – bis 2015 ein DNA-Täterprofil erstellt wurde. Dabei kam heraus, dass der Mörder mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Nordafrika stammt.

Das grenzte den Täterkreis auf die 300 Männer der marokkanischen Minderheit des Ortes ein. Bei einem Massen-Gentest war zwar nicht der Täter unter den Freiwilligen, die eine Speichelprobe abgaben – aber zwei seiner Brüder, wie anhand ihrer sehr ähnlichen DNA schnell klar war. Er selbst wurde daraufhin in Frankreich verhaftet, wohin er sich nach dem Mord abgesetzt hatte.

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