Massstab aller Dinge Diese Karte der Erde stellt unsere Welt-Sicht auf den Kopf

phi

31.7.2021

Hajime Narukawas Sicht auf die Welt: Europa mal nicht gross und im Mittelpunkt. 
Hajime Narukawas Sicht auf die Welt: Europa mal nicht gross und im Mittelpunkt. 
Bild: Autagraph

Seit jeher zeigen viele Atlanten und Globen Europa als Nabel der Welt. Dabei geht in der Kartenprojektion von der Kugelform der Erde auf plattes Papier viel schief – doch ein Japaner hat dieses Problem gelöst.

phi

31.7.2021

Gheert Cremer hat unsere Weltsicht massgeblich geprägt. Besser bekannt ist der Niederländer allerdings unter seinem latinisierten Namen: Gerhard Mercator.  Der Theologe und Philosoph hat 1541 den ersten Globus gebaut, doch Weltruhm brachte ihm erst seine grosse Karte unserer Erde von 1569.

Marcators Weltkarte Nova et aucta orbis terrae descriptio ad usum navigantium von 1569.
Marcators Weltkarte Nova et aucta orbis terrae descriptio ad usum navigantium von 1569.
Bild: Gemeinfrei

Das grundsätzliche Dilemma, dem sich Kartografen stellen müssen, ist die dreidimensionale Kugelform der Erde auf zweidimensionales Papier zu bannen. Mercator ersinnt die Zylinder-Projektion, um das Problem zu lösen – doch die ist nicht nur ungenau, sondern verzerrt auch die Verhältnisse.

Was am Äquator liegt, wird kleiner, während Land zu den Polen hin grösser wird. Ein Beispiel: Bei der Mercator-Projektion ist Grönland ähnlich gross wie Afrika – obwohl es mit einer Fläche von 2,1 Millionen Quadratkilometer gegenüber 30,3 Millionen beim schwarzen Kontinent deutlich Nachsehen hat.

Mit den Jahren wurden deshalb Alternativen wie die Kegelabbildung oder die Zentral-Projektion entwickelt, doch auch bei den neuen Methoden gibt es jeweils Nachteile. Es soll bis zur Jahrtausendwende dauern, bis eine Idee präsentiert wird, die Schwung in die Kartenprojektion bringt.

Ein Problemlöser aus Japan

Zu verdanken ist die Hajime Narukawa, der 1971 in Kawasaki geboren wird. Narukawa studiert in Tokio und Rotterdam, wird Architekt vertieft sich in Geometrie und schreibt 1996 eine Masterarbeit, die prompt ausgezeichnet wird. Danach geht er das Kartenproblem an – und löst es drei Jahre später.

Narukawa entwickelt 1999 die Autagraph-Projektion, die die bisher genaueste Darstellung der Welt sein soll. Dabei wird die Erdkugel in 96 gleichmässige Dreiecke eingeteilt, die in ein Tetraeder übertragen werden, das am Ende entfaltet wird. Die so entstehende Karte erhält fast genau die ursprüngliche Form und Grösse von Kontinenten und Ozeanen.

So funktioniert die Methode von Narukawa.
So funktioniert die Methode von Narukawa.
Bild: Autograph

Das Werk stellt unsere Sicht der Welt auf den Kopf. Grönland und Europa sind sichtlich geschrumpft und auch Kanada und die USA haben abgespeckt. Südamerika ist hingegen breiter geworden, und Afrika hat insgesamt zugelegt – eher mehr bei Äthiopien und dem Sudan, etwas weniger dafür im Fall von Südafrika.

Das Procedere ist offenbar ein Durchbruch: 2009 gründet Narukawa seine eigene Firma Autagraph, 2011 übernehmen die japanischen Behörden seine Methode, seit 2015 wird sie dort in den Schulen gelehrt und 2016 gab es für ihn auch noch den Good Design Award.

Die komplette Weltkarte von Hajime Narukawa.
Die komplette Weltkarte von Hajime Narukawa.
Bild: Autagraph