Bieten Stromversorger Ökostrom statt konventionellen Strommix als Standard an, wählen Kunden öfters die grüne Variante – selbst wenn diese teurer ist. Das berichtet ein schweizerisch-britisches Team im Fachmagazin «Nature Human Behaviour».
Keystone-SDA, stsc, sda
11.03.2021, 18:24
11.03.2021, 18:48
SDA
Menschen sind träge und halten gerne am Status-Quo fest: Sie wählen jene Option, die als Standartvorgabe gilt. Dies macht sich die «Nudging»-Technik Default zunutze. Das Verhalten der Menschen lässt sich demnach in eine vorhersehbare Richtung stupsen, ohne Bestrafung, Zwang oder Verbote.
Die Forschenden um Andreas Diekmann, emeritierter Professor an der ETH Zürich, und Ulf Liebe von der britischen Universität Warwick wiesen diesen Effekt nun anhand von Daten von zwei Schweizer Stromanbietern eindeutig nach. Die Analyse war möglich, weil die beiden Stromversorger vor einigen Jahren ihr Standardangebot geändert hatten: Von konventionellem Strommix zu Ökostrom, wie die ETH am Donnerstag mitteilte.
Das Team untersuchte fast 234’000 Privathaushalte, von denen vor der Änderung bis zu 3 Prozent einen Ökostrom-Vertrag abgeschlossen hatten. Danach stieg dieser Anteil je nach Stromanbieter auf 85 bzw. 85 Prozent. Und dies, obwohl der grüne Strom tagsüber 3,6 und nachts 8,3 Prozent teurer war.
«Bemerkenswert ist, dass auch fünf Jahre nach der Umstellung noch rund 80 Prozent der Haushalte bei Ökostrom bleiben», sagte die Mitautorin, Jennifer Gewinner von der ETH Zürich. Auch bei den 9000 untersuchten Unternehmen konnten sie den Default-Effekt nachhaltig beobachten, obwohl die Mehrkosten bei ihnen für Ökostrom sogar noch höher lagen.
Millionen Tonnen CO2-Einsparung
Ein genauerer Blick in die Daten zeigte, dass Frauen mit einer etwa sechs Prozent höheren Wahrscheinlichkeit die grüne Stromvariante als Standartangebot akzeptierten als Männer, unter den Geschäftsführerinnen waren es acht Prozent.
Der Stromverbrauch stieg indessen bei den Ökostrom-Kunden während des untersuchten Zeitraums nicht. Sie erkauften sich demnach keinen «moralischen Freischein», um Strom nun zu vergeuden.
Aufgrund des hohen Anteils an Wasserkraft seien die positiven Umweltauswirkungen der Default-Technik in der Schweiz eher gering. Anders etwa in unserem Nachbarland: «Wir haben errechnet, dass Deutschland mit Blick auf die privaten Haushalte allein im Jahr 2018 45 Millionen Tonnen CO2-Emissionen eingespart hätte», so Diekmann. Das sei ein massiver Effekt, wenn man die Einfachheit der Massnahme bedenke.