Fäkalien-Krise auf der Insel Wie Abwasser Englands Flüsse verpestet

dpa

1.4.2024 - 00:00

Die Kunstinstallation «Sirens of Sewage» am Strand von Whitstable.
Die Kunstinstallation «Sirens of Sewage» am Strand von Whitstable.
dpa

Die Verschmutzung von Flüssen und Küstengewässern in Grossbritannien mit menschlichen Fäkalien macht immer wieder Schlagzeilen. Inzwischen ist sogar ein weltbekanntes Sportereignis betroffen.

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  • Ungeklärte Abwässer verschmutzen zunehmend Gewässer in England.
  • Der starke Anstieg sei teilweise den starken Regenfällen im vergangenen Jahr geschuldet, teilte die Environment Agency mit.
  • Doch in den vergangenen Jahren wurden immer wieder Fälle aufgedeckt, in denen ungeklärte Abwässer in die Umwelt abgegeben wurden, ohne dass es zuvor stark geregnet hatte.

Fäkalien, Feuchttücher und Hygieneartikel: Ungeklärte Abwässer verschmutzen zunehmend Gewässer in England. Wie die britische Umweltbehörde Environment Agency mitteilte, wurde 2023 im grössten britischen Landesteil so häufig das Einleiten von ungeklärtem Abwasser ins Meer und in Flüsse registriert wie nie zuvor – mehr als 464'000 Mal.

Demnach flossen im vergangenen Jahr 3,6 Millionen Stunden lang ungeklärte Abwässer in offene Gewässer. Das ist mehr als eine Verdopplung im Vergleich zum Vorjahr, als es rund 1,75 Millionen Stunden waren.

Der sogenannte Mischwasserüberlauf gilt eigentlich als Notfallmassnahme. Er wird notwendig, wenn aufgrund starker Regenfälle die Kanalisation überfordert ist und das Abwasser droht, durch die Rohre wieder in Häuser und auf Strassen gedrückt zu werden. In Grossbritannien gibt es für Regenwasser und Abwasser nur ein einziges Kanalisationssystem. 

Ein Schild am Strand von Worthing, West Sussex, das vor den Gefahren durch verschmutztes Wasser warnt, insbesondere nach starken Regenfällen.
Ein Schild am Strand von Worthing, West Sussex, das vor den Gefahren durch verschmutztes Wasser warnt, insbesondere nach starken Regenfällen.
IMAGO/UIG

Oppositionspolitiker fordert Umweltnotstand

Der starke Anstieg sei teilweise den starken Regenfällen im vergangenen Jahr geschuldet, teilte die Environment Agency mit. Zudem seien inzwischen alle Überlaufstellen mit einem Messgerät ausgestattet. Daher seien die Zahlen nur bedingt mit denen früherer Jahre vergleichbar. Das entbinde die Wasserversorger aber nicht von ihrer Pflicht, sich an die Gesetze zu halten, mahnte die Agentur.

In den vergangenen Jahren wurden immer wieder Fälle aufgedeckt, in denen ungeklärte Abwässer in die Umwelt abgegeben wurden, ohne dass es zuvor stark geregnet hatte. Das ist illegal und besonders schlecht, weil das Abwasser dann nicht durch Regenwasser verdünnt wird und schwere Schäden bei Tieren und Pflanzen anrichten kann – etwa, weil es das Wachstum von Algen befördert, die dem Wasser Sauerstoff entziehen. 

Wasserversorger stehen in der Kritik

Die britische Regierung hatte bereits härtere Strafen für rechtswidriges Ablassen von Schmutzwasser eingeführt, gleichzeitig aber eingeräumt, dass es Jahre dauern dürfte, bis die Infrastruktur entsprechend angepasst sei. Der Chef der britischen Liberaldemokraten Ed Davey forderte am Mittwoch die Regierung von Premierminister Rishi Sunak (Konservative) auf, einen nationalen Umweltnotstand auszurufen. «Nur wenn wir den Abwasserskandal mit der angezeigten Dringlichkeit behandeln, können wir unsere Flüsse und Strände für künftige Generationen erhalten», sagte Davey der Nachrichtenagentur PA zufolge.

Umweltorganisationen werfen den Wasserversorgern vor, Investitionen in die Infrastruktur versäumt zu haben und stattdessen hohe Dividenden an ihre Anteilseigner auszuzahlen. Der Branchenverband Water UK hatte kürzlich einen Plan zur Verbesserung des Abwassersystems mit Kosten in Höhe von 10 Milliarden Pfund (etwa 11,9 Milliarden Euro) vorgelegt, aber dafür auch deutliche Erhöhungen bei der Wasserrechnung für Kunden angekündigt. Verbraucherschützer kritisieren die Pläne, die derzeit von der zuständigen Aufsichtsbehörde geprüft werden.

Ruderer müssen sich vor Infektionen schützen

Die Verschmutzung hat inzwischen selbst die renommierte Ruderregatta Oxbridge Boat Race zwischen den Universitäten Oxford und Cambridge erreicht. Wie PA in dieser Woche meldete, hatten Umweltschützer der Organisation River Action an dem für das Rennen genutzten Themse-Abschnitt eine stark erhöhte Konzentration der Darmbakterien Escherichia coli festgestellt. Diese lag demnach beinahe bis zu zehnmal höher als bei Badegewässern, die von der Umweltbehörde als schlecht eingestuft werden.  

Die Umweltschützer machen die Mischwasserüberläufe einer nahe liegenden Überlaufstelle für die Bakterienkonzentration verantwortlich. Gemeinsam mit dem Ruderverband British Rowing haben sie Ratschläge herausgegeben, wie sich Sportler vor Infektionen schützen können. Diese sollen bei dem auch als Gemini Boat Race bezeichneten Rennen der beiden Elite-Unis an diesem Samstag an die Teilnehmer verteilt werden. Dazu gehöre beispielsweise, Wunden mit wasserdichten Verbänden zu schützen und darauf zu achten, kein Spritzwasser zu schlucken.