Pocken, Tollwut, Masern Impfgegner gab es schon immer

SDA/AFP/uri

10.8.2021 - 09:22

Impfgegner protestieren am 31. Juli 2021 gegen die Corona-Restriktionen in Genf. (Symbolbild)
Impfgegner protestieren am 31. Juli 2021 gegen die Corona-Restriktionen in Genf. (Symbolbild)
Bild: Keystone

Bereits die erste Impfung gegen die Pocken sorgt im 18. Jahrhundert für Kritik – und bis heute existieren Sorgen vor der Immunisierung. Dazu beigetragen haben tatsächliche Nebenwirkungen, aber auch Verschwörungstheorien und eine gefälschte Autismus-Studie.

Vorbehalte gegen Impfungen sind nichts Neues. Auch die Pockenimpfung im 18. Jahrhundert wurde nicht von allen mitgetragen. Experten sagen, dass nur eine Impfung eine Epidemie oder Pandemie eindämmen kann. Bedingung: Es müssen viele mitmachen. Was war in der Geschichte zielführender: Impfpflicht oder Freiwilligkeit?

Misstrauen gegenüber Impfungen gibt es nicht erst seit der Corona-Pandemie. Schon der erste Impfstoff im 18. Jahrhundert gegen die Pocken stiess auf grosse Skepsis. Ein Überblick:



1796: Erste Impfung, erste Ängste

Über Jahrhunderte waren die Pocken eine der schlimmsten Viruserkrankungen. An ihnen starben Millionen Menschen. 1796 kam der englische Arzt Edward Jenner auf die Idee, ein Kind mit den für Menschen harmlosen Kuhpockenviren zu infizieren und so die Immunabwehr anzuregen, nachdem er beobachtet hatte, dass Melkerinnen selten an Pocken erkrankten.

Das Verfahren – von Jenner als «vaccinus» (von lateinisch «Kuh») bezeichnet – war erfolgreich, löste aber von Anfang an Skepsis und Angst aus. Seit 1980 gelten die Pocken dank der Impfung als ausgerottet.

1853: Erste Impfpflicht

Ab 1853 mussten alle Kinder in Grossbritannien gegen Pocken geimpft werden. Diese erste Impfpflicht der Geschichte stiess auf heftigen Widerstand. Die Gegner lehnten die Impfung aus religiösen Gründen ab, sahen ihre individuelle Freiheit verletzt oder hatten Bedenken, sich eine tierische Substanz injizieren zu lassen. 1898 wurde eine «Gewissensklausel» eingeführt, die Ausnahmen von der Impfpflicht erlaubte.

1885: Tollwutimpfung

Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte der französische Mikrobiologe Louis Pasteur einen Impfstoff gegen Tollwut mit einem abgeschwächten Virusstamm. Sein Verfahren löste Misstrauen aus: Pasteur wurde beschuldigt, mit der Herstellung einer «Labortollwut» Profit machen zu wollen.

1920er-Jahre: Viele neue Impfstoffe

In den 1920er-Jahren machte die Forschung grosse Fortschritte, mehrere neue Impfstoffe kamen auf den Markt: 1921 gegen Tuberkulose, 1923 gegen Diphtherie, 1926 gegen Tetanus und 1926 gegen Keuchhusten.

Damals wurde auch damit begonnen, den Impfstoffen Aluminiumsalze beizumischen, um die Wirksamkeit zu erhöhen. Mehr als ein halbes Jahrhundert später gerieten diese Salze in Verdacht, die Makrophagische Myofasciitis zu verursachen, eine auf die Impfregion begrenzte entzündliche Veränderung der Muskulatur.

1998: Gefälschte Autismus-Studie

Die angesehene medizinische Fachzeitschrift «The Lancet» veröffentlichte 1998 eine Studie, die einen Zusammenhang zwischen der Masern-Mumps-Röteln-Impfung und Autismus suggerierte. Die Arbeit von Andrew Wakefield wurde Jahre später als Betrug entlarvt und von der Zeitschrift zurückgezogen, weitere Studien fanden keinerlei Kausalität zwischen Impfung und Autismus.

Impfgegner beziehen sich jedoch bis heute auf die gefälschte Studie. Die MMR-Impfquote geht zurück, die Zahl der Masern-Toten steigt. 2019 waren es weltweit 207'500 – 50 Prozent mehr als 2016.

2009: Impfkampagne gegen Schweinegrippe

Eine H1N1-Grippe-Pandemie, ausgelöst durch ein Virus aus der gleichen Familie wie die Spanische Grippe von 1918, versetzte die Weltgesundheitsorganisation 2009 in Alarm. Massenimpfungen gegen die sogenannte Schweinegrippe wurden organisiert, aber die Epidemie verlief weniger schlimm als erwartet. Millionen Impfstoffdosen mussten weggeworfen werden. Die Impfkampagne weckte Misstrauen – vor allem, weil einer der Impfstoffe offenbar das Risiko von Narkolepsie erhöhte.

Von 5,5 Millionen Schweden, die sich damals impfen liessen, erkrankten Hunderte an der seltenen Schlafkrankheit. 440 Fälle wurden als Impfschäden anerkannt und die Betroffenen erhielten Entschädigungen.

2020: Verschwörungstheorien zur Polio-Impfung

In Afrika ist die Kinderlähmung dank der Impfung seit August 2020 ausgerottet. In Pakistan und Afghanistan grassiert die Krankheit, die bei Kindern zu Lähmungen führt, weiter. Viele Menschen dort glauben Verschwörungstheorien, wonach der Westen durch die Polio-Impfung muslimische Kinder unfruchtbar machen wolle.

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