Boote versenkt Ist ein einzelnes Orca-Weibchen für die Attacken verantwortlich?

smi

25.5.2023

Da waren die Orcas in der Strasse von Gibraltar noch freundlich: Schwertwal und Fischerboote zwischen Marokko und Spanien. Seit 2020 greifen die Orcas dort immer öfter Jachten und Sportboote an.
Da waren die Orcas in der Strasse von Gibraltar noch freundlich: Schwertwal und Fischerboote zwischen Marokko und Spanien. Seit 2020 greifen die Orcas dort immer öfter Jachten und Sportboote an.
imago/robertharding

Seit 2020 greifen Schwertwale immer wieder kleine Boote vor der Atlantikküste zwischen Gibraltar und Galizien an. Spanische Forschende vermuten, dass die Attacken auf ein einzelnes Weibchen zurückgehen.

smi

25.5.2023

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Seit 2020 greifen Schwertwale vor der marokkanischen, spanischen und portugiesischen Atlantikküste Segeljachten und andere kleinere Schiffe an. Über 300 Attacken sind es bis heute.
  • Aufgrund der Aufzeichnungen vermuten Forschende, dass ein einzelnes Weibchen mit den Angriffen begonnen hat und das Verhalten an seine Jungen und an weitere Orcas weitergibt.
  • Oft zerstören die angreifenden Schwertwale das Ruder, sodass die Boote manövrierunfähig werden. Manche Schiffe beschädigen sie so schwer, dass sie sinken.

Die Szene erinnert an Frank Schätzings Roman «Der Schwarm»: Mehrere Orcas rammen Anfang Mai eine Segeljacht, beschädigen sie so schwer, dass die Crew von der spanischen Küstenwache gerettet werden muss. Die «Champagne», gesegelt von einem erfahrenen Schweizer Hochsee-Skipper, sinkt im Schlepp des Rettungskreuzers kurz bevor dieser den Hafen erreicht.

Seit 2020 kommen solche für Schwertwale untypischen Angriffe vor der spanischen und portugiesischen Atlantikküste immer wieder vor. Ein Forschungsprojekt archiviert die Interaktionen – als solche gilt jeder Vorfall, bei dem ein Orca ein Schiff berührt.

Teil der Untersuchung ist, die Tiere zu identifizieren, die Jachten rammen. Erste Erkenntnis: Sie gehören der rund 50 Tiere zählenden Gibraltar-Population an. Dieses ist vom Aussterben bedroht.

Die Mutter aller Attacken?

Nun ist den Forschenden aufgefallen, dass ein ausgewachsenes Weibchen besonders oft an den Angriffen beteiligt ist, oft mit seinen direkten Nachkommen.

«Gladis Blanca», die weisse Gladis, nennen sie die Orca-Kuh, wobei alle Tiere der Gibraltar-Population, die Boote attackieren, als «Gladis» bezeichnet werden. Die Expert*innen vermuten, dass «Gladis Blanca» ein traumatisches Erlebnis mit einem Boot hatte und deshalb aggressiv auf diese reagiert.

Weil sich oft ihre Jungen an den Ramm-Aktionen beteiligten und gemäss Beobachtungen auch ihre Angriffsmanöver kopieren, halten sie es für plausibel, dass sie ihr Verhalten an ihre Jungen und weitere Tiere der Population weitergibt. 

Orcas sind bekannt für ihr ausgeprägtes Sozialverhalten. Mit ihrer  Gruppenjagdtaktik erlegen sie sogar Weisse Haie und stehen im Meer an der Spitze der Nahrungskette. Kein anderes Tier kann ihnen gefährlich werden.

Segelboote werden gezielt manövrierunfähig gemacht

Angriffe auf Menschen und Schiffe sind hingegen ungewöhnlich. Und erst recht eine Häufung wie die mittlerweile über 300 Angriffe zwischen der Strasse von Gibraltar und Galizien, der Nord-West-Spitze Spaniens.

Gladis Blanca scheint ihren Mitstreiter*innen beizubringen, einrumpfige Segelboote ruckartig im Wasser zu drehen, indem sie den Rumpf seitlich rammen. Das beschädigt das Ruder. Dieses greifen die bis zu 6 Tonnen schweren Meeressäuger oft auch direkt an, beissen sich daran fest und reissen es vom Heck. 

Der Schweizer Skipper der Anfang Mai versenkten Jacht hat dem Fachmagazin «Yacht» beschrieben, dass die Tiere nach mehr als einer Stunde von seinem Boot abgelassen hätten, nachdem das Ruder zerstört gewesen sei.

2020, dem ersten Jahr der Orca-Attacken der Gibraltar Population registrierte die Forschungsgruppe GT Orca Iberica 50 Interaktionen. 2021 waren es 197, 2022 207. Zudem ist die Zahl der Tiere gestiegen, die mitmachen: von anfänglich drei auf 15. Die These, dass es junge, männliche Rowdys seien, ist inzwischen eindeutig widerlegt.