Zürcher Allergien-Experte Pollenstudie zur Ausbreitung von Corona ist «kein Grund zur Panik»

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9.3.2021 - 19:31

Starker Pollenflug kann einer Studie zufolge die Infektionsrate mit dem Coronavirus erhöhen.
Starker Pollenflug kann einer Studie zufolge die Infektionsrate mit dem Coronavirus erhöhen.
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Viele Pollen – höheres Corona-Risiko: Das folgert ein internationales Forscherteam nach Auswertung von Daten aus 31 Ländern. Grund zur Panik ist das aber nicht, betont der Leiter des Allergiezentrums am Unispital Zürich.

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Starker Pollenflug kann einer Studie zufolge das Corona-Risiko erhöhen. Gebe es viele Pollen in der Aussenluft, stiegen die Infektionszahlen, berichtet ein internationales Team unter Leitung von Forschern der Technischen Universität München (TUM) und des Helmholtz Zentrums München. Anlass zu übermässiger Sorge gibt die im Fachmagazin «Proceedings of the National Academy of Sciences» («PNAS») veröffentlichte Studie aber nicht, betonen die Autoren. 

Professor Dr. med. Peter Schmid-Grendelmeier bestätigt diese Einschätzung. Der Leiter der Allergiestation am Universitätsspital Zürich sagt auf Nachfrage von «blue News»: «Grund zur Panik besteht nicht. Die Studie zeigt zwar, dass die Infektionsrate tatsächlich etwas höher ist, wenn mehr Pollen fliegen. Wir reden aber nicht von einer Verdopplung oder einer Verdreifachung, sondern von einer Zunahme im niedrigen Prozentbereich.»

Erhöhte Infektanfälligkeit durch Pollen

Der Effekt sei nicht dramatisch: «Ich würde nicht sagen, dass die Leute deswegen nicht mehr nach draussen gehen sollen», so Schmid-Grendelmeier. Dass Pollenexposition im Frühjahr zu einer erhöhten Infektanfälligkeit gegenüber bestimmten Viren führen könne, ist in der Fachliteratur beschrieben und prinzipiell bekannt. 

Für ihre Studie hatten Forschende Daten zu Pollenbelastung und Infektionsraten mit Sars-CoV-2 aus 130 Regionen in 31 Ländern auf fünf Kontinenten analysiert, darunter auch in der Schweiz. Sie berücksichtigten auch demografische Faktoren und Umweltbedingungen, darunter Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Bevölkerungsdichte sowie die Ausprägung des Lockdowns.

An Orten ohne Lockdown-Regelungen stieg die Infektionsrate im Schnitt um vier Prozent, wenn sich die Anzahl der Pollen in der Luft um 100 pro Kubikmeter erhöhte. In manchen Städten seien im Untersuchungszeitraum zeitweise pro Tag bis zu 500 Pollen auf einen Kubikmeter gekommen – zugleich stiegen laut Studie die Infektionsraten um mehr als 20 Prozent.

Immunsystem nur leicht gehemmt

Experten zufolge führen Pollen zu einer veränderten Immunabwehr im Menschen, sodass weniger der gegen Viren gerichteten Abwehr-Botenstoffe produziert werden, sogenannte antivirale Interferone. Vor dem Hintergrund sei es umso ratsamer, Masken zu tragen, sagt Schmid-Grendelmeier. Sie halten nicht nur Coronaviren zurück, sondern auch Pollen. «Pollen beeinflussen das Immunsystem leicht, in dem sie die Interferon-Produktion etwas reduzieren», erklärt der Mediziner.

Interferone sind Botenstoffe im Immunsystem, die den Zellen sagen, was sie tun sollen. «Sie funktionieren im Prinzip wie SMS zwischen den verschiedenen Zellen», beschreibt es der Allergieexperte. Bei erniedrigten Werten von Interferonen ist der Körper etwas anfälliger für Virusinfektionen, unter anderem auch mit dem Coronavirus. «Pollen blockieren das Immunsystem natürlich nicht völlig, sondern hemmen wahrscheinlich solche Interferone etwas.»

Der beobachtete Effekt von Pollen bezieht sich auf die gesamte Bevölkerung; Allergiker scheinen gemäss der Studie nicht zusätzlich gefährdet zu sein. Auch an der Allergiestation am Universitätsspital Zürich «haben wir keine Signale, dass Allergiepatienten besonders häufig an Covid-19 erkranken oder häufiger schwere Verläufe haben als andere Vergleichspopulationen», so Schmid-Grendelmeier.