Neue Erkenntnisse Grönland war einst wirklich grün – und voller Leben

tjnj

9.12.2022

So soll es vor zwei Millionen Jahren auf Grönland ausgesehen haben: Die Forscher*innen veröffentlichten diese Illustration zusammen mit ihren Erkenntnissen.
So soll es vor zwei Millionen Jahren auf Grönland ausgesehen haben: Die Forscher*innen veröffentlichten diese Illustration zusammen mit ihren Erkenntnissen.
Illustration: Beth Zaiken via AP / Keystone

Mithilfe von zwei Millionen Jahre alter DNA haben Forscher*innen rekreiert, wie das Ökosystem Grönlands einst ausgesehen haben muss. Die Funde weisen die Existenz von Mastodons in der Arktis nach – und geben Hoffnung für den Umgang mit dem Klimawandel.

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Es klingt eigentlich wie ein Witz: Das bitterkalte, von Eis bedeckte Grönland trägt einen Namen, der übersetzt tatsächlich «Grünland» bedeutet. Doch vor langer Zeit war dieser Realität.

Dank neuer Funde, die in der Fachzeitschrift «Nature» veröffentlicht wurden, ist es nun möglich, sich ein genaueres Bild von dem Leben zu machen, das einst im heute eiskalten Nordteil der Region herrschte – als es dort deutlich höhere Temperaturen hatte, als wir sie heute gewöhnt sind.

Zwei Millionen Jahre alte DNA

Die Halbinsel Kap København barg die ältesten bekannten DNA-Spuren der Welt: Zwei Millionen Jahre alt sind die Sedimente, die sich durch den Permafrost erhalten haben. Das ist ein Rekord mit enormem Abstand, denn die in Sibirien gefundenen Mammutknochen, die die bislang älteste gefundene DNA enthielten, bringen es gerade mal auf eine schlappe Million Jahre.

Ein Forschungsteam um den dänischen Evolutionsgenetiker Eske Willerslev konnte nun mithilfe der neuesten Technologie das damalige Ökosystem der Region rekonstruieren. Von ihren Funden waren die Wissenschaftler*innen selbst überrascht.

Mastodons in der Arktis

Dass Grönland einst ein deutlich wärmerer Ort war, war bereits bekannt, nicht jedoch, was für eine Artenvielfalt dort lebte: Rentiere, Lemminge, Hasen, Gänse, auch bislang unbekannte Arten. Auch die Pflanzenwelt der Region war heterogener, als man bisher dachte. Das gilt vor allem für die dort vorhandenen Baumarten, zu denen auch Birken und Zedern gehören.

Doch die grösste Sensation war die Entdeckung, dass es in Grönland einst auch Mastodons, Verwandte der Mammuts, gab. Mastodons waren bisher nur in Mittel- und Nordamerika vermutet worden.

Der schwedische Paläogenetiker Love Dalén, dessen Team einst die bislang älteste DNA in Sibirien entdeckt hatte, sagte der «Nature», man habe «nicht in einer Million Jahre» damit gerechnet, in Nordgrönland ein Mastodon zu entdecken.

Ein ausgestorbenes Ökosystem

Laut den Wissenschaftler*innen gibt es heute kein Äquivalent für das Ökosystem des damaligen Grönlands. Der an der Studie beteiligte Forscher Mikkel W. Pedersen weist darauf hin, dass die Temperaturen damals «wesentlich höher» gewesen seien – in etwa vergleichbar mit denen, die die Erde im Zuge des Klimawandels erreichen könnte.

Wie also konnte unter diesen Umständen eine derart vielfältige Tier- und Pflanzenpopulation überleben? Zeit sei ein entscheidender Faktor, so Pedersen.

Doch die globale Erwärmung schreite heute mit einer Geschwindigkeit voran, die es Lebewesen nicht erlaube, sich rechtzeitig anzupassen. Die Klimakrise stelle also weiterhin «eine enorme Bedrohung für die biologische Vielfalt» dar.

Mit Gentechnik gegen das Artensterben

Hoffnung steckt in der gefundenen Pflanzen-DNA. Mithilfe derer sei es möglich, die Strategien gentechnisch nachzuahmen, mit deren Hilfe die Pflanzen Grönlands vor zwei Millionen Jahren die steigenden Temperaturen überlebten, so der ebenfalls beteiligte Wissenschaftler Kurt H. Kjær. Im besten Fall könne man so «das Aussterben einiger Arten, Pflanzen und Bäume verhindern».

Eske Willerslev glaubt, die Fünde könnten ausserdem Hinweise darauf enthalten, wie Ökosysteme in der Zukunft auf den Klimawandel reagieren werden. «Diese Organismen haben die Fähigkeit, sich auf eine Art anzupassen, die wir nicht verstehen und nicht voraussagen können.» Die Natur steckt weiterhin voller Überraschungen.