Historikerin enthüllt Vorgängerfirma der EMS-Chemie entwickelte Brandbomben

uri

20.10.2022

Ein Test mit Napalm-Brandbomben in den 50er Jahren in Florida. (Archiv)
Ein Test mit Napalm-Brandbomben in den 50er Jahren in Florida. (Archiv)
Bild: Getty Images

Die Chemiefabrik in Ems suchte nach dem Zweiten Weltkrieg neue Betätigungsfelder: Sie entwickelte inzwischen geächtete Brandbomben, die in Bürgerkriegsländer verkauft wurden.

uri

20.10.2022

In der Schweiz entwickelte Brandbomben töteten Mitte der 1970er Jahre im Bürgerkrieg in Osttimor. Bereits in den 1960er Jahren kamen sie im Jemen zum Einsatz, als die ägyptische Luftwaffe Dörfer bombardierte.

Zur weiteren Kundschaft zählten ferner Militärs in Burma oder auch die algerische Befreiungsfront FLN. Das berichtet die SRF-«Rundschau» auf Basis des Buches «Nylon und Napalm» der Zürcher Historikerin Regula Bochsler.

Bei den Waffen handelte es sich um «Opalm»-Bomben, eine Weiterentwicklung des Brandkampfstoffes Napalm. Diese wurden laut der Forschung Bochslers von der Holzverzuckerungs AG, kurz Hovag, der Vorgängerfirma der heutigen EMS-Chemie, entwickelt und 1952 patentiert.

Nationalsozialisten forschten in Ems an einer Rakete

Die Napalm-Geschäfte wurden demnach von Werner Oswald, dem Gründer der Emser Werke, getätigt. Er hatte das Unternehmen 1941 in Ems errichtet und stellte mit Subventionen des Bundes einen Ersatztreibstoff her, der bis 1956 importiertem Benzin beigemischt wurde, so SRF.

Nach dem Krieg habe sich Oswald dann neue Geschäftsfelder für sein Treibstoffwerk erschlossen. Neben der bekannten Kunstfaser-Produktion eben auch die Napalm-Herstellung und die Entwicklung einer Flugabwehrrakete mithilfe deutscher Nationalsozialisten, die bereits im Krieg an Hitlers «Wunderwaffe» getüftelt hatten.

Das wegen seiner verheerenden Wirkung seit 1980 von den Vereinten Nationen verbotene Napalm wurde nicht zuletzt durch das Foto «Napalm Girl» von 1972 bekannt. Dieses zeigt das Mädchen Phan Thị Kim Phúc, das im Vietnamkrieg mit schwersten Verbrennungen nach einem US-Angriff mit Napalmbomben flieht.

Phan Thị Kim Phúc steht im Mai 2022 vor dem Bild «Napalm Girl», das sie als Kind im Jahr 1972 zeigt, wie sie in Vietnam schwer verletzt nach einem Napalmangriff flieht.
Phan Thị Kim Phúc steht im Mai 2022 vor dem Bild «Napalm Girl», das sie als Kind im Jahr 1972 zeigt, wie sie in Vietnam schwer verletzt nach einem Napalmangriff flieht.
Bild. Keystone

Das in Ems entwickelte Opalm wurde laut dem «Tages-Anzeiger» in den 1950er Jahren in der Schweiz auch für Zivilschutz-, Luftschutz- und Offiziersgesellschaften zu Vorführungszwecken zur Verfügung gestellt und beeindruckte durch seine zerstörerische Wirkung.

Beängstigender als Napalm

Die «Schweizerische Zeitschrift für Luftverteidigung» hielt fest: «Opalm übertrifft Napalm». Auch sei die Waffe «viel wirksamer und im zischenden Abbrand beängstigender als das seit dem Koreakrieg bekannte Napalm». Der Stoff habe ein «rasendes Feuer entwickelt, das mit Prasseln über eine Viertelstunde unvermindert tobte», zitiert die Zeitung.

Oswalds Nachfolger der Chemiewerke in Ems, Christoph Blocher, erklärte der Historikerin Bochsler laut SRF, er wisse erst seit Kurzem von dem Emser Opalm. Von der dort entwickelten Rakete habe er noch nie gehört. Äussern wollte sich Blocher in der «Rundschau» erst, nachdem er das Buch gelesen habe.

Bochsler selbst wurde für ihre Forschungsarbeit der Zugang zum Archiv von EMS-Chemie indes verweigert, schreibt der «Tages-Anzeiger». Begründet wurde das damit, dass die Bergier-Kommission bereits alles angeschaut habe, «eine erneute Sichtung derselben Archivalien für Ihr Forschungsprojekt würde deshalb keine neuen Erkenntnisse bringen».