Grenzen des Wachstums Warum Wale nicht noch grösser werden

dpa

12.12.2019

Blauwale sind die grössten Tiere der Erde. Doch auch ihr Wachstum ist begrenzt. Forscher haben untersucht, warum das so ist.

Blauwale können über 30 Meter lang und fast 200 Tonnen schwer werden und sind somit die grössten Tiere der Erde. Doch warum werden diese Giganten der Meere nicht noch grösser?

Um dies zu beantworten, hat ein internationales Forscherteam das Fressverhalten Hunderter Wale über zehn Jahre beobachtet. Wie die Wissenschaftler im Fachblatt «Science» berichten, wird die Grösse der jeweiligen Walart vor allem von ihrer Ernährungsweise und der vorhandenen Nahrung beeinflusst. Diese banal klingende Erkenntnis verrät bei genauerem Hinsehen mehr über die Grenzen des Wachstums für die Ozeanriesen und unterstreicht, welche dramatischen Folgen die zunehmende Gefährdung ihres Lebensraums haben könnte.

300 Wale mit Sensoren

Gemeinhin wird die Körpergrösse einer Tierart von dem empfindlichen Gleichgewicht bestimmt zwischen der Energie, die durchs Fressen gewonnen wird, und der, die dafür aufgewendet wird. An Land sorgt diese Balance meist dafür, dass sich kleine Tiere von kleiner Beute ernähren und grössere Tiere von grosser. Blauwale (Balaenoptera musculus) stellen in dieser Hinsicht ein Paradox dar: Obwohl sie mit ihren Ausmassen sogar Dinosaurier übertreffen, ernähren sie sich von winzigem Plankton, das sie wie alle Bartenwale aus dem Wasser filtern. Erklärungen dafür blieben bislang vage.

Obwohl Blauwale die grössten Tiere der Erde sind, ernähren sie sich von winzigem Plankton.
Obwohl Blauwale die grössten Tiere der Erde sind, ernähren sie sich von winzigem Plankton.
Bild: Elliott Hazen/NOAA/dpa

Ein internationales Team um den Biologen Jeremy Goldbogen von der Stanford Universität (USA) stattete nun 300 Zahn- und Bartenwale mit Sensoren aus, um ihre Bewegungen von Grönland bis zur Antarktis zu überwachen und ihr Fressverhalten zu analysieren. Die mehr als 10.000 aufgenommenen Futtersituationen wurden dann mit Daten zur Nahrungsdichte vor Ort kombiniert. Auf dieser Grundlage berechneten die Wissenschaftler schliesslich die Energieeffizienz für jeden Wal.

«Energie ist eine Schlüsselwährung für alles Leben»

«Energie ist eine Schlüsselwährung für alles Leben, und wir wollten wissen, wie ihr Gewinn im Vergleich zum Verbrauch bei der Futtersuche von Walen mit unterschiedlichen Körpergrössen und Ernährungsstrategien ist», sagte Goldbogen. Das Verhältnis zwischen Energiegewinn und -verbrauch bestimme die Futtereffizienz der Tiere. Und hier ergab sich den Forschern zufolge, dass die Körpergrösse der Wale tatsächlich von ihrem Fressverhalten abhängt.

Nach ihren Daten gewinnen Blau-, Buckel- und andere Bartenwale beim Filtern des Meereswassers fast immer mehr Energie, als sie mit ihren Beutetauchgängen verbrauchen. Etwas anders verläuft es bei den Zahnwalen, zu denen etwa Pottwale und Delfine gehören: Sie nutzen Echoortung, um ihre Beute zu finden, und müssen dabei tiefer tauchen, was sehr viel Energie kostet. Würden Pottwale, mit über 20 Metern Länge die grössten Zahnwale, noch grösser werden, wären diese Energiekosten zu hoch um dauerhaft zu überleben. Zudem gebe es gar nicht genug grosse Tintenfische, damit Riesen-Pottwale genug zum Fressen hätten.

Für Bartenwale gibt es dagegen zu bestimmten Jahreszeiten Krill und anderes Plankton im Überfluss. Dann bauen etwa Blauwale Fettreserven für ihre langen Wanderungen durch die Ozeane auf. Entsprechend vermuten Goldbogen und seine Kollegen, dass ihre Körpergrösse durch die saisonale Verfügbarkeit an Nahrung bestimmt wird. Eine weitere Grenze könne physiologisch gesetzt sein: Der Fressapparat von Bartenwalen sei perfekt darauf austariert, so viel krillreiches Wasser so schnell wie möglich zu schlucken. Mehr Körpergrösse könnte sich negativ darauf auswirken.

«Man muss sich fragen, wie gefährlich es für Wale ist, auf einer energetischen Messerschneide zu leben», betont Koautor und Paläontologe Nicholas Pyenson von der Smithsonian Institution – insbesondere angesichts von Klimawandel, Überfischung und anderer Bedrohungen für die Ozeane und die Krillmenge. Umso wichtiger sei es, ergänzt Biologe Terrie Williams von der Universität von Kalifornien in einem unabhängigen Kommentar, die grundlegenden biologischen Bedürfnisse der Tiere zu entschlüsseln und diesen zu entsprechen: «Solche Bemühungen beginnen damit, dass wir die Biologie der Grösse wertschätzen.»


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