Wenn enorme Kräfte wirken – als Deepwater Horizon explodierte

Von Philipp Dahm

20.4.2020

Deepwater Horizon ist erst neun Jahre in Betrieb und hat 2010 einen guten Ruf. Dann steht im Kalender: 20. April – es ist der Auftakt der grössten Umweltkatastrophe in der Geschichte der USA.

Eigentlich hat Deepwater Horizon einen guten Ruf für eine Öl-Bohrplattform. Sie ist in den Medien die «glückliche« und «gefeierte» – dann explodiert sie am 20. April 2010, verbrennt und sinkt 1'500 Meter tief auf den Grund des Golfs von Mexiko. Das Öl-Leck am Meeresboden wird zur grössten Umweltkatastrophe in der Geschichte der USA.

Eine Geschichte, die auch mit der Schweiz zu tun hat: Die Deepwater Horizon gehört einer Firma aus Steinhausen im Kanton Zug. 560 Millionen Dollar kostet der Bau der Hyundai Heavy Industries aus Südkorea, den der Käufer Triton Asset Leasing GmbH 2001 in Empfang nimmt. Die Firma überführt die Deepwater Horizon nach Freeport in Texas und vermietet sie bis zum Unglück an BP.

Ein Geschäft, das sich für alle Beteiligten lohnt, wenn nichts Unvorhergesehenes passiert: Für den letzten Leasingvertrag, der von 2010 bis 2013 laufen soll, zahlt BP 544 Millionen Dollar Miete an Triton – macht 497'000 Dollar pro Tag. Eine ähnliche Summe hätte der Ölkonzern noch einmal für Ausrüstung, Crew und Betrieb einberechnen müssen.

Brennende Deepwater Horizon am 20. April 2010.
Brennende Deepwater Horizon am 20. April 2010.
Bild:  Keystone

Für den Betrieb der Deepwater Horizon ist das Unternehmen Tansocean aus Vernier GE zuständig, jenes wiederum besitzt Triton in Zug. Anfang des Jahrtausends hat das Trio BP, Transocean und Triton seine Freude an der mobilen See-Plattform. Erst bohrt die Deepwater Horizon erfolgreich im Ölfeld Atlantis, das erst 1998 entdeckt wurde und sich als drittgrösstes Unterwasser-Ölfeld im Golf von Mexiko herausstellt.

2006 findet sie das Kaskida-Ölfeld im Keathley Canyon, das in den Blöcken 291 und 292 liegt – die küstennahen Unterwasser-Schluchten sind wie Berge für den Rohstoff-Abbau in Parzellen unterteilt. Und im September 2009 spürt die Deepwater Horizon im Keathley Cayon das Ölfeld Tiber auf (Block 102). Es trägt das Prädikat «gigantisch», enthält also mehr als 250 Millionen Barrel Öl.

BP-VIPs feiern die Deepwater Horizon noch Stunden zuvor 

BP hat dafür mehr als 10'000 Meter tief gebohrt – das tiefste Bohrloch der Welt, staunt «BBC». Das Manko an der Tiber-Goldgrube: Der Meeresboden beginnt erst in 1'500 Meter Tiefe, 35 Grad werden dort gemessen. Hier ist Spezialgerät gefragt, doch die Deepwater Horizon ist seit Februar 2010 im Mississippi Canyon, Block 252, beschäftigt. Und sie ist überhaupt spät dran.

Der kartierte Meeresboden im Golf von Mexiko.
Der kartierte Meeresboden im Golf von Mexiko.
Bild:  Gemeinfrei

Fünf Wochen liegt sie schon im Zeitplan zurück – und Zeit ist Geld. Zur Erinnerung: Jeder Tag kostet die Plattform BP eine Million Dollar. Doch die Probebohrung im Maconda-Ölfeld ist eigentlich so gut wie beendet. Der Zement, der das Loch verschliessen soll, härtet noch aus. Ein Arbeitsschritt, den die Firma Halliburton durchführt. 

Dann der 20. April 2010:

Am Morgen besucht noch Patrick O'Bryan die Deepwater Horizon. Der BP-Vizepräsident und einige VIPs werden von Curt Kutcha, dem Transocean-Kapitän der Plattform, herumgeführt. Der Ölkonzern lässt sich an jenem Tag ausgerechnet für sieben Jahre ohne Unfall feiern. Halliburton ist eigentlich fertig mit der Zementfüllung, es fehlt nur noch der Propfen.

Enorme Kräfte wirken

Die Bedingungen, die um das Loch herum herrschen, sind kaum vorstellbar: Die Flüssigkeiten im Bohrkern stehen unter enormen Druck und sind 250 Grad heiss. Tatsächlich entweicht bereits Gas ins Bohrloch, das aber wegen des vielen Schlamms nicht aufsteigen kann und sich sammelt. Vielleicht wird auch noch Seewasser nachgepumpt, was den Beton schneller aushärtet, aber das Gemisch auch explosiver macht.

Transport der Deepwater Nautilus, dem Vorgänger der Deepwater Horizon. 
Transport der Deepwater Nautilus, dem Vorgänger der Deepwater Horizon. 
Bild via Oil Spoil Blog

Um 9:56 Uhr Ortszeit, also 2:56 Uhr MEZ, passiert es. Das Gas bricht durch, fängt Feuer. Die elektronischen Lichter flackern, die Plattform wird von zwei Vibrationen durchzogen – eine Methanblase ist aufgestiegen, die Schutzventile versagen – und als es oben ankommt, explodiert das Gasgemisch. In rasantem Tempo greift das Feuer um sich: Die Crew hat nur wenige Minuten Zeit, die Plattform zu verlassen.

126 Menschen sind an Bord: 79 von Transocean, sieben von BP und 40 von anderen Firmen wie Halliburton. Die Küste ist 66 Kilometer entfernt.

Elf Menschen werden bei dem Unglück schliesslich sterben, 17 Verletzte auch mit dem Helikopter in Spitäler geflogen. Die Evakuierten werden per Schiff an Land gebracht und später in einem Hotel einquartiert.

1,3 Millionen Liter Öl pro Tag entweichen ins Meer

Die Deepwater Horizon brennt lichterloh: Zwei Tage später, am 22. April, sinkt sie. Es ist der Tag, an dem die Behörden entdecken, das Öl aus dem Bohrloch strömt, sehr viel Öl: 1'300'000 Liter pro Tag. Es wird bis Mitte September dauern, bis das Loch gestopft ist: US-Behörden gehen davon aus, das in diesem Zeitraum 780'000'000 Liter Öl ins Meer entwichen sind.

Die Öl-Kaastrophe im Golf von Mexiko vom All aus gesehen.
Die Öl-Kaastrophe im Golf von Mexiko vom All aus gesehen.
Bild: Nasa

Es folgen Gerichtsklagen: Erst 2015 einigt sich BP mit den US-Behörden auf eine Rekord-Zahlung von 18,7 Milliarden Dollar. Zuvor zahlt Cameron International 250 Millionen Dollar an BP. Die Firma hat Absperrventile, sogenannte Blow-out-Preventer, für die Deepwater Horizon hergestellt. Mit Halliburton hat sich BP bereits 2014 auf die Zahlung von 1,1 Milliarden Dollar geeinigt.

Transocean war von dem Ölkonzern auf 40 Milliarden Dollar verklagt worden, doch 2015 einigt man sich schliesslich aussergerichtlich. Die Gesamtkosten für BP decken diese Summen ohnehin nicht im Geringsten ab: Sie betragen geschätzt rund 146 Milliarden Dollar.

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