Fragen und Antworten Wie gefährlich ist der neue Omikron-Subtyp BQ.1.1?

uri

23.10.2022

Labormitarbeiter mit Coronavirus-Proben. (Archiv)
Labormitarbeiter mit Coronavirus-Proben. (Archiv)
Getty Images

Expert*innen auf der ganzen Welt sind wegen der neuen Omikron-Variante BQ.1.1 in Sorge: Sie scheint dem Immunsystem noch besser entkommen zu können und breitet sich rasend schnell aus. Was du dazu wissen musst.

uri

23.10.2022

Das Coronavirus entwickelt sich beständig weiter. Derzeit ist die neue Omikron-Sublinie BQ.1.1 für Fachleute von besonderem Interesse, denn sie zeigt Eigenschaften, die eine neue Ansteckungswelle auslösen könnten.

Was macht BQ.1.1 speziell?

Der Familienstammbaum des Coronavirus mit all seinen Varianten und Subvarianten ist für Laien inzwischen nicht mehr zu überblicken. Geläufig sein dürfte den meisten noch die Omikron-Variante BA.5, die derzeit in der Schweiz dominiert und mit der sich selbst im Sommer viele Geimpfte und auch Genesene ansteckten.

Nun ist mit BQ.1.1 ist ein weiterer Abkömmling der BA.5-Variante auf dem Vormarsch. Die Variante weist drei zusätzliche Mutationen im Spikeprotein auf, mit dem das Virus in Körperzellen eindringt, berichtet der «Spiegel». Das ist insofern bedeutsam, als das Virus vom Immunsystem umso schlechter erkannt wird, je stärker sich das Spikeprotein verändert.

Wie schnell verbreitet sich der Subtyp und wo?

BQ.1.1. breitet sich gemeinsam mit der Schwestervariante BQ.1 derzeit vor allem in Nordamerika und Europa schnell aus. Ihr Anteil stieg in den Vereinigten Staaten bei den Neuinfektionen zuletzt auf mehr als zehn Prozent, wobei beide Varianten jeweils auf 5,7 Prozent kamen. Sie hätten dabei eine «ziemlich besorgniserregende Verdoppelungszeit», sagte der US-Immunologe Anthony Fauci dem Sender CBS News.

Auch in der Schweiz ist die Variante bereits angekommen. Sie wurde hierzulande bislang 31-mal nachgewiesen, wie Simone Buchmann vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf Nachfrage von blue News mitteilt. Durch die Überwachung des Abwassers könne man zudem feststellen, dass der Anteil der Variante auch hierzulande zunehme.

Wie gefährlich ist der Suptyp?

Ob BQ.1.1 sich im evolutiven Wettstreit der Coronavirus-Varianten durchsetzen wird, ist derzeit noch nicht zuverlässig abzuschätzen, denn es zirkulieren mehrere Verwandte mit ähnlichen Eigenschaften. So zeigt BQ.1.1 «eine vergleichbare Immunflucht und Mutationen an ähnlichen Positionen» wie die bekannte Mutante BA.2.75.2, zitiert «Focus» Richard Neher von der Universität Basel.

Wie sein Mitarbeiter Cornelius Römer dem «Spiegel» erklärte, treibt BQ.1.1 die nächste Welle aber bereits an. Damit ist die Variante für mehr Erkrankungen, damit auch für mehr schwere Fälle und ebenso mehr Patienten mit Langzeitfolgen verantwortlich.

Das bedeutet allerdings nicht, dass die neue Variante im Vergleich schwerere Verläufe nach sich zieht. Nach den Beobachtungen des BAG gibt es derzeit «keine Hinweise darauf, dass BQ.1.1 an sich zu schwereren Erkrankungen führt als frühere Varianten».

Was macht BQ.1.1 noch problematisch?

Eine Infektion mit BQ.1.1 ist offenbar auch schlechter zu behandeln. Sie steht – wie auch einige weitere verwandte Linien –  im Verdacht, dass sie den verfügbaren monoklonalen Antikörper-Cocktails entgeht, die noch gegen BA.5 wirkten. Diese Therapie gilt vor allem bei immungeschwächten Patient*innen als Mittel der Wahl.

Und auf ein weiteres Problem verweist der Virologe Friedemann Weber aus Giessen: Es sei «nicht absehbar, in welchem Ausmass neue Varianten Long-Covid auslösen können, eine bisher viel zu wenig beachtete Folge selbst milder Infektionen».

Wie gut schützen durchgemachte Erkrankung und Impfung?

Laut einer ersten Untersuchung im Labor kann BQ.1.1 womöglich selbst Antikörpern von Menschen entkommen, die vollständig geimpft sind und sich zusätzlich mit einer Omikron-Variante angesteckt haben, wie der Basler Forscher Cornelius Römer dem «Spiegel» sagte.

Skeptisch hinsichtlich des bislang aufgebauten Schutzes in der Bevölkerung zeigt sich denn auch der deutsche Gesundheitsminister und Epidemiologe Karl Lauterbach: «Wenn sich etwa die Variante BQ.1.1 durchsetzt, würden sich auch diejenigen, die sich im Sommer infiziert haben, wahrscheinlich wieder leicht infizieren können», erklärte er im Interview mit der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung».

Die meisten Experten gehen unterdessen auch weiterhin davon aus, dass ein gewisser Schutz durch Impfung oder durchgemachte Infektion auch gegen künftige Varianten besteht und somit vor schweren Verläufen schützt.

Was bringt jetzt ein Booster?

Impfungen seien «der beste Schutz, den wir derzeit haben», sagt Römer dem «Spiegel». Und fügt an, dass der Booster mit dem Omikron-Impfstoff hier die beste Wahl sei. Auch dieser sei zwar nicht perfekt auf BQ.1.1 zugeschnitten, «aber noch deutlich näher auf die Sublinie angepasst als der ursprüngliche Impfstoff».

Auch das BAG hält es für «wahrscheinlich, dass eine Auffrischimpfung einen zusätzlichen Schutz gegen die Infektion bietet». Man gehe davon aus, dass eine frühere Impfung wie auch bei anderen Omikron-Untervarianten einen guten Schutz gegen schwere Erkrankungen bietet, teilte das Amt auf Nachfrage mit. «Wir empfehlen allen, die noch keine Auffrischimpfung erhalten haben, dies bei nächster Gelegenheit nachzuholen.»

Könnte BQ.1.1 für eine neue Welle sorgen?

Bioinformatiker Cornelius Römer vom Biozentrum der Basler Universität warnte im «Spiegel» bereits, dass sich die Fallzahlen, die auf BQ.1.1 zurückgehen, derzeit wöchentlich verdoppeln. Auf Twitter befürchtete er, dass «BQ.1.1 noch vor Ende November eine Variantenwelle in Europa und Nordamerika antreiben wird».

Für Römer wie auch die meisten seiner Kollegen ist indes nicht entscheidend, ob es einzelne Varianten sind, die sich durchsetzen. Römer spricht denn auch von einer «Varianten-Suppe», die das Infektionsgeschehen weiter anheizen dürfte. Nach derzeitigem Stand ist BQ.1.1 neben Varianten wie BA.2.75.2, und BQ.1 hier aber eine der schärfsten Zutaten.

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch der Virologe Friedemann Weber von der Universität Giessen. «Ob im Winter dann letztlich BQ.1.1 oder eine andere neue Variante dominieren wird, ist noch unklar», sagte er dem Nachrichtenmagazin «Focus». Sehr wahrscheinlich sei jedoch, dass es wieder zu hohen Krankheitsausfällen und Klinikauslastungen kommen wird, so Weber.