Grosser Rat BEBerner Kantonsparlament setzt Zeichen für abgewiesene Asylsuchende
SDA
9.9.2020 - 10:10
Der bernische Grosse Rat hat ein Zeichen für abgewiesene Asylsuchende gesetzt, die nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren können. Sie sollen die Nothilfe von acht Franken pro Tag auch dann erhalten, wenn sie privat untergebracht sind.
Mit 78 zu 67 Stimmen bei 7 Enthaltungen überwies der Rat am Mittwoch eine Motion von Walter Schilt (SVP/Utzigen). Der Vorstoss fand Unterstützung bei Grossratsmitgliedern fast aller Fraktionen.
Der Regierungsrat wehrte sich vergeblich gegen die Motion. Die Gesetzeslage sei eindeutig: Nothilfe könne nur beziehen, wer in einem Rückkehrzentrum lebe. Für die zurzeit rund 120 Abgewiesenen im Kanton Bern, die privat untergebracht sind, komme sie nicht in Frage.
Nur der Kanton Bern lasse die private Unterbringung von rechtskräftig Weggewiesenen überhaupt zu, sagte Sicherheitsdirektor Philippe Müller (FDP) im Rat. Wer auf seinen Platz in einem Rückkehrzentrum verzichte, brauche auch keinen Nothilfe.
Sowieso sei die private Unterbringung nicht unproblematisch. So entstünden enge persönliche Beziehungen, wodurch eine selbständige Ausreise immer unwahrscheinlicher werde. Auch könnten Private versucht sein, Asylsuchende aufzunehmen, um das Haushaltsbudget aufzubessern.
Nichts wissen vom Vorstoss wollten auch die Fraktionssprecher von SVP und FDP. Gerade erst habe der Kanton Bern sein Asylwesen neu strukturiert, und einer der Grundsätze sei, dass rechtskräftig abgewiesene Asylsuchende zügig ausgeschafft werden sollten. Dafür seien Rückkehrzentren geschaffen worden. Es dürfe nicht sein, dass dieses vom Volk abgesegnete System untergraben werde.
«Man muss Menschen mögen»
Die Ratsmehrheit sah es anders. Es gebe nun mal Menschen, die nicht in ihre Heimat zurückkehren könnten, sagte etwa Michael Ritter (GLP/Burgdorf) – auch wenn sie dies noch so gern tun würden. Ritter nannte das Beispiel der Tibeter in der Schweiz. Auch andere Rednerinnen und Redner appellierten an die Menschlichkeit.
«Man muss Menschen mögen», sagte Motionär Schilt. Nach seinen Worten kommt der Kanton bei privat untergebrachten Asylsuchenden nur für die Krankenkassenprämie auf. Alle weiteren Lebenskosten übernehme der Kanton nicht, obwohl die Menschen insbesondere für Essen und Hygieneartikel auf Nothilfe angewiesen seien.
Die private Unterbringung sei eine geeignete Ergänzung zu kantonalen Einrichtungen und gesellschaftspolitisch sinnvoll. Sie helfe, die psychische Befindlichkeit der angeschlagenen Betroffenen stabil zu halten. Auf diese Weise schone sie überdies das Sozial- und Gesundheitswesen.
Vor allem Eritreer und Tibeter
Viele der etwa 120 privat Untergebrachten sind Eritreer und Tibeter, wie Sicherheitsdirektor Müller im Rat bestätigte. «Nordafrikaner sind weniger beliebt.» In den Rückkehrzentren leben derzeit 359 Menschen. Dazu kommen Weggewiesene, die noch eine Haftstrafe verbüssen, sowie eine unbekannte Zahl von Untergetauchten.
Der Rat überwies den Vorstoss als Motion mit Weisungscharakter. Der Regierungsrat muss die Forderung also nun umsetzen.
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