JustizBerner Obergericht beurteilt faulen Kunsthandel im Milieu
SDA/tgab
17.8.2020 - 18:19
Opfer oder Mittäter: Vor dem bernischen Obergericht steht seit Montag ein Mann, der mutmasslich einer von zwei Strippenziehern in einem faulen Kunstdeal ist. Er bestreitet dies vehement und sieht sich als Opfer.
Bei dem luschen Deal ging es um angeblich echte Gemälde von Tizian und Rembrandt. Deren Verkauf würde Millionen einbringen, so die Verlockung.
Ein mit dem Berner befreundeter Barbetreiber aus dem Zürcher Langstrassenquartier wollte durch glückliche Umstände zu den Meisterwerken gekommen sein. Doch um den unmittelbar bevorstehenden Deal abzuschliessen, müsse er einen grösseren Geldbetrag vorleisten, den er gerade nicht locker habe, verklickerter der Barbetreiber potenziellen Geldgebern. Es lockten satte Gewinne aus dem Millionensegen.
Der Berner liess sich nicht lange bitten und investierte in den Deal. Mehr noch: er begann fleissig weitere Geldgeber ins Boot zu holen. Das eingenommene Geld übergab er dem Zürcher «bar auf die Kralle», ohne Quittung. Im Gegenzug steckte ihm der Barbetreiber jahrelang fast täglich Geld zwischen 150 und 400 Franken für den Lebensunterhalt zu.
In die eigenen Taschen
Der Barbetreiber verhandelte derweil angeblich mit Banken, Kunstexperten und anderen für den Abschluss des Bilderverkaufs wichtigen Personen.
Zum Abschluss des dubiosen Kunstdeals kam es indessen nie. Mal fehlte hier noch eine kostspielige Expertise, mal dort ein grosser Vorschuss für ausländische Behörden. Über Jahre wurden die Darlehensgeber auf diese Weise hingehalten und abgezockt.
Das Geld floss auch nicht in den angeblichen Kunstdeal, sondern direkt oder über Umwege in die Taschen der beiden Strippenzieher. Und die beiden angeblich millionenschweren Meisterwerke entpuppten sich als als wertlos oder zumindest sehr viel weniger Wert als angepriesen.
Das erstinstanzliche Berner Wirtschaftsstrafgericht hatte es als erwiesen angesehen, dass der Barbetreiber und der Berner ein Team waren, das gemeinsam die blauäugigen Darlehensgeber mit hohen Renditeversprechen köderte. Es verurteilte den Barbetreiber als Hauptstrippenzieher zu einer Freiheitsstrafe von über sechs Jahren. Der Berner erhielt als Mittäter vier Jahre aufgebrummt.
Während der Barbetreiber das Urteil letztlich akzeptierte, zog es der Berner an die nächst höhere Instanz. Dieses hat nun vor allem zu entscheiden, ob der Berner in erster Instanz zu Recht als Mittäter wegen gewerbsmässigen Betrugs verurteilt wurde.
Immer an Echtheit geglaubt
Der einschlägig vorbestrafte 66-Jährige sieht sich viel eher als Opfer des Barbetreibers. Er habe viel Geld in den Deal investiert und sei, wie die anderen Gläubiger auch, getäuscht worden. Er sei überzeugt gewesen, dass die Bilder echt seien und viel Geld fliessen würde. Sonst wäre er ja auch nicht seine eigene Familie um Darlehen angegangen, sagte der Mann vor Gericht.
Am Montag vor Obergericht offenbarte sich einmal mehr, wie die beiden inmitten eines riesigen finanziellen Durcheinanders mit hohen Geldbeträgen jonglierten, obschon ihnen finanziell das Wasser längst am Hals stand. Beiden gemeinsam ist Wortgewandtheit und ein gerüttelt Mass an Selbstbewusstsein.
Auf Kosten der anderen gelebt
Der Staatsanwalt verlangte eine Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils. Der Berner sei zweifellos Teil der Betrugsmasche gewesen und nicht einfach nur Opfer. Der hochverschuldete Angeklagte habe immer gewusst, dass er die akquirierten Gelder nie und nimmer würde zurückzahlen können.
Er habe aus dem Zusammenwirken mit dem Barbetreiber viel mehr profitiert als er investiert habe. «Sie haben mit wenig Aufwand auf Kosten der anderen gelebt», wandte sich der Staatsanwalt an den Mann auf der Anklagebank.
Ausgenutzt
Der Verteidiger fuhr ebenfalls grobes Geschütz auf: Zwischen dem Zürcher Barbetreiber und dem Berner habe ein Abhängigkeitsverhältnis geherrscht, wobei der Barbetreiber klar der Chef gewesen sei.
Sein Mandant sei damals arbeitslos und verschuldet gewesen und habe all seine Hoffnungen in den Kunstdeal gesetzt. Er habe so viel Energie und Mittel investiert, «dass ein Scheitern einfach keine Option war».Der Zürcher habe die mentale Zwangslage des Berners ausgenutzt. Der Verteidiger forderte einen Freispruch. Das Urteil wird das Obergericht am kommenden Montag bekannt geben.