Die Schulen im Kanton Bern können im Französisch-Unterricht womöglich schon bald zwischen zwei verschiedenen Lehrmitteln auswählen. Der Regierungsrat ist grundsätzlich offen, das sogenannte Wahlobligatorium zuzulassen.
Das schreibt er in seinen am Montag publizierten Antworten auf parlamentarische Vorstösse. Heute werden alle Dritt- bis Sechstklässler mit dem Lehrmittel «Mille feuilles» unterrichtet. Ab der siebten Klasse folgt «Clin d'oeil».
Auf die beiden Lehrmittel haben sich sechs Kantone, darunter Bern, einst im Rahmen des Projekts Passepartout verständigt. Kritik kommt seit langem von Eltern und Lehrkräften. In Basel-Land sprach sich das Volk letzten November für mehr Lehrmittelfreiheit aus.
Eine Alternative zu «Mille feuilles» ist auch im Kanton Bern in Sicht, wie aus den Ausführungen der Regierung hervorgeht. Der Verlag Klett und Balmer plant die Herausgabe von «Ça roule» ab dem Schuljahr 2021/22. Ein Jahr später soll ein Lehrmittel für die Siebt- bis Neuntklässler folgen: «C'est ça» soll die Alternative zu «Clin d'oeil» sein.
Keine freie Wahl
Der Regierungsrat kann sich vorstellen, die beiden Produkte ins Lehrmittelverzeichnis aufzunehmen, wenn sie die Kriterien punkto Qualität und Ausrichtung auf den Lehrplan erfüllen. Die Bildungsdirektion werde dies gemeinsam mit der zuständigen Kommission möglichst früh prüfen.
Der Begriff «Wahlobligatorium» stellt klar, dass die Schulen nicht irgendein Lehrmittel auswählen können, sondern nur eines, das im Lehrmittelverzeichnis aufgeführt ist. Diese Vorgabe gilt für die Fremdsprachen und die Mathematik. In den anderen Fächern ist die Freiheit grösser, dort werden Lehrmittel lediglich empfohlen.
Den heutigen Französisch-Lehrmitteln werfen Lehrkräfte und Eltern vor, sie seien unstrukturiert, vernachlässigten die Grammatik und auch den Wortschatz. Der Berufsverband Bildung Bern und auch der Verein Bern bilingue machten sich zuletzt für das Wahlobligatorium stark.
Bildung Bern: «Gutes Zeichen»
Entsprechend erfreut reagierte Bildung Bern am Montag auf die Vorstossantworten des Regierungsrats. «Wir werten das als gutes Zeichen», sagte Stefan Wittwer, der stellvertretende Geschäftsführer und Co-Leiter Pädagogik. Es zeige, dass Bildungsdirektorin Christine Häsler (Grüne) das Anliegen ernst nehme.
Der Berufsverband mit seinen rund 10'000 Mitgliedern hatte Ende November darauf hingewiesen, dass «Mille feuilles» und auch das Oberstufen-Werk in Studien schlecht wegkamen. Die Resultate in Sachen Leseverstehen, Hörverstehen und Sprechen seien ungenügend und müssten dringend verbessert werden.
Ein radikaler Wechsel würde das System Schule momentan zu stark erschüttern und den Kanton finanziell überbelasten, räumte Bildung Bern ein. Es brauche aber Verbesserungen beim bestehenden Lehrmittel und eben ein Wahlobligatorium, sobald sinnvolle Alternativen vorhanden seien.
Breit abgestützt
Der Regierungsrat beantwortete zwei Motionen, die im Grossen Rat breit abgestützt sind. Er empfiehlt beide zur Annahme. Die Motion von Sabina Geissbühler-Strupler (SVP) wurde mitunterzeichnet von Grossratsmitgliedern der FDP, SVP, EDU und SP; sie verlangt mindestens ein zusätzliches Lehrmittel.
Der Vorstoss von Michael Ritter (GLP) wird mitgetragen von SVP-, FDP- und EDU-Parlamentariern. Er fordert auch den «geordneten Ausstieg» aus dem Verbund Passepartout. Dazu hält die Regierung fest, das Projekt Passepartout sei im Sommer 2018 offiziell beendet worden. Der Austritt sei somit bereits erfolgt.
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