Grosser Rat BE Berns Grosser Rat kommt Hausbesitzern entgegen – Neuer Rechtsstreit

SDA

10.3.2020 - 10:24

Bei der Neubewertung der Liegenschaften sollen die Hausbesitzer nicht über Gebühr belastet werden. Dieser Meinung ist die bürgerliche Mehrheit des bernischen Grossen Rates.

Mit 77 zu 74 Stimmen beschloss das Kantonsparlament am Dienstag, dass bei der Festsetzung des amtlichen Werts ein Ziel-Medianwert von 70 Prozent des Verkehrswerts gelten soll. Das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen: Ein Rechtsstreit ist in Sicht.

Denn Regierung und Ratslinke gehen davon aus, dass die 70 Prozent nicht verfassungskonform sind. Aus Sicht des Bundesgerichts würden Grundstücke gegenüber beweglichem Vermögen so steuerlich zu stark bevorzugt. Das habe Lausanne in zwei Entscheiden zu anderen Kantonen deutlich gemacht, sagte Finanzdirektorin Beatrice Simon (BDP).

Dem widersprach Adrian Haas (FDP) namens der Finanzkommission. Die Entscheide seien nicht vergleichbar. Im Fall Tessin sei es um einen generellen Wert gegangen, nicht um einen Median. Und der Kanton Zürich sei mit Bern nicht vergleichbar.

Neuauflage einer Debatte

Die Grundsatzdiskussion um den Medianwert führte der Rat schon 2017. Auch damals beschloss er einen Zielwert von 70 Prozent. Das Bundesgericht kam darauf zum Schluss, dass die gesetzliche Grundlage für die Festsetzung des Werts gefehlt habe. Das hat der Kanton inzwischen nachgeholt.

Nicht geäussert hat sich das Bundesgericht im Berner Fall zum konkreten Wert. Das wird das höchste Gericht nun wohl nachholen müssen.

Für den Ziel-Medianwert von 70 Prozent stimmten SVP, FDP, EDU und auch die BDP, die sich damit gegen die eigene Regierungsrätin stellte. Mit dem höheren Median würde man den Liegenschaftsbesitzern 50 Millionen Franken mehr aus dem Sack ziehen, gab Jakob Etter (BDP) zu bedenken. Ein weiterer Rechtsstreit sei das kleinere Übel.

Weitere bürgerliche Sprecher erinnerten daran, dass die Erhöhung des amtlichen Wertes auch mit dem tieferen Median beachtlich ausfallen werde. Schliesslich handle es sich um die erste Anpassung seit 1999. Die Verkehrs- und Ertragswerte seien seither deutlich gestiegen.

Ausserdem gelte es bei der Festsetzung des amtlichen Wertes auch die Belastung durch die kommunale Liegenschaftssteuer zu berücksichtigen. Das spreche generell für den tieferen Wert.

«Frage der Fairness»

Anders sahen es SP, Grüne, GLP und EVP. Es sei eine Frage der Fairness und der Steuergerechtigkeit zwischen Mietern und Liegenschaftsbesitzern, den Wert auf 77 Prozent festzulegen. Hausbesitzer seien schliesslich in vielerlei Hinsicht steuerlich bevorteilt.

In den letzten Jahren seien diese zu gut weggekommen, sagte etwa Hans Kipfer (EVP) und sprach in diesem Zusammenhang gar von «Schmarotzertum zulasten der Allgemeinheit». Nun gebe es Gelegenheit für eine «kleine Kompensation». Linke und Grüne betonten auch, dass die Gemeinden auf die Mehreinnahmen angewiesen seien und dass mit dem höheren Wert auch Rechtssicherheit geschaffen werde.

Ein Median ist ein Mittelwert für Verteilung in der Statistik. Er bedeutet, dass die Hälfte der Fälle unter respektive über einer bestimmten Zahl liegt. Beim Median handelt es sich also nicht um den Durchschnittswert.

Mehreinnahmen für Staat

Der Rat genehmigte das Dekret über die allgemeine Neubewertung der nichtlandwirtschaftlichen Grundstücke schliesslich mit 96 zu 32 Stimmen bei 24 Enthaltungen. Der Entscheid hat nicht nur Auswirkungen auf Hausbesitzer. Kanton und Gemeinden können sich auf höhere Steuereinnahmen einstellen.

Bei der Vermögenssteuer kann der Kanton mit Mehreinnahmen von 45 Millionen Franken rechnen. Bei den Gemeinden sind es 23 Millionen Franken. Die Gemeinden erhalten zudem total 56 Millionen Franken mehr Liegenschaftssteuern.

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