Liegenschaften Kanton muss bei der Neubewertung von Grundstücken über die Bücher

SDA

23.8.2019 - 13:05

Das Bundesgericht hat ein Dekret des Kantons Bern zur Neubewertung von Liegenschaften beanstandet (Themenfoto).
Das Bundesgericht hat ein Dekret des Kantons Bern zur Neubewertung von Liegenschaften beanstandet (Themenfoto).
Source: KEYSTONE/PETER KLAUNZER

Der Kanton Bern muss bei der von ihm angestrebten Neubewertung von Grundstücken über die Bücher. Das Bundesgericht beanstandet in einem am Freitag veröffentlichten Entscheid ein vom Kantonsparlament erlassenes Dekret.

Der Grosse Rat erliess das Dekret im März 2017. Nach fast 20 Jahren sei es Zeit für eine Neubewertung der nicht landwirtschaftlichen Liegenschaften im Kanton Bern, befand die Ratsmehrheit. Die Bürgerlichen erreichten, dass die Hausbesitzer weniger stark zur Kasse gebeten werden.

Im Dekret wurde ein Zielwert für die Besteuerung der Liegenschaften auf 70 Prozent des Verkehrswerts festgelegt. Die Regierung und linksgrüne Parteien hätte eigentlich 77 Prozent festhalten wollen. Der amtliche Wert einer Liegenschaft ist massgebend für die Besteuerung von Vermögen und Liegenschaften.

Die Stadt Bern und eine Privatperson fochten das Dekret beim Bundesgericht an. Dieses befand nun, die Stadt Bern sei nicht zur Beschwerde legitimiert. Dies deshalb, weil Gemeinden für Gewinn und Reinvermögen, sofern sie einem öffentlichen Zweck dienen, nicht steuerlich belangt werden. Ausserdem würden auf Amts- und Verwaltungsgebäuden keine Liegenschaftssteuern erhoben werde.

Gewaltentrennung missachtet

Auf die Beschwerde der Privatperson trat das Bundesgericht hingegen ein. Mehr noch: es hiess die Beschwerde gut.

Das angefochtene Dekret verstosse gegen das Prinzip der Gewaltentrennung, heisst es im Urteil der Lausanner Richter. Der Grosse Rat hätte lediglich Zeitpunkt und Bemessungsperiode per Dekret festlegen dürfen, so wie es Artikel 3, Absatz 2 des Steuergesetzes besagt.

Ein Zielwert durfte das Parlament nicht per Dekret erlassen. Wenn schon, hätte dieser auf gesetzlicher Ebene verankert werden müssen, kommen die Bundesrichter zum Schluss. Wäre der Zielwert im Gesetz verankert worden, hätte das Volk die Möglichkeit des fakultativen Referendums gehabt. Bei Dekreten hat das Volk keine Mitsprache.

Mit der Totalrevision der Kantonsverfassung im Jahr 1993 hat der Verfassungsgeber die Rolle des Dekrets bewusst eingeschränkt. Diesbezüglich verweist das Bundesgericht auf das Handbuch des bernischen Verfassungsrechts.

Das Bundesgericht kam in seinen Ausführungen zum Schluss, dass Artikel 2, Absatz 3 des Dekrets aufzuheben ist.

Warnung in den Wind geschlagen

Die letzte amtliche Bewertung der nicht landwirtschaftlichen Grundstücke basiert auf der Bemessungsperiode von 1993 bis 1996. Seither hat sich der Verkehrswert mancher Grundstücke stark verändert, vor allem nach oben.

Bei der Debatte über das Dekret im bernischen Grossen Rat im März 2017 setzten sich die links-grünen Parteien für eine möglichst rasche Neubewertung ein, denn so würde der öffentlichen Hand mehr Steuergelder zufliessen.

Die Bürgerlichen hatten es weniger eilig. Mit der Streichung der Berufskostenpauschale, der Begrenzung des Pendlerabzugs, der Erhöhung der Eigenmietwerte und nun der Neubewertung der Grundstücke müssten die Bernerinnen und Berner über 200 Mio. Franken mehr Steuern abliefern. Viel lieber wären den Bürgerlichen eine Senkung der Steuerbelastung gewesen.

Finanzdirektorin Beatrice Simon (BDP) warnte den Grossen Rat explizit davor, einen Zielwert im Dekret festzulegen. Dies würde nur zu rechtlichen Diskussionen führen, die das Geschäft verzögern könnten. Das Parlament entschied sich anders.

Stadt Bern fordert 77 Prozent

Finanzdirektorin Beatrice Simon sagte am Freitag gegenüber Keystone-SDA, dass sie das Urteil nun genau analysieren werde. Erst dann könne sie sagen, wie es in der Sache nun weitergehe.

Die Stadt Bern freute sich über die Gutheissung der Beschwerde der Privatperson. Die Stadt Bern erhalte damit materiell Recht.

Da das Bundesgericht den umstrittenen Artikel bereits wegen der Verletzung der Gewaltenteilung aufhob, mussten die Lausanner Richter gar nicht erst prüfen, ob der angestrebte Zielwert von 70 Prozent bundesrechtskonform ist.

Die Stadt Bern setzt sich laut Mitteilung für einen Wert von 77 Prozent ein und stützt sich dabei auf zwei ältere entscheide des Bundesgerichts zum Zielwert.

Vor dem Hintergrund des nun ergangenen Bundesgerichtsurteils erwartet der Stadtberner Gemeinderat, dass der Regierungsrat den Zielwert auf 77 festlegt, denn so resultierten für alle Gemeinden höhere Steuererträge.

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