Verwaltungsgericht BE Kurde darf trotz Gewaltakt in der Schweiz bleiben

pa, sda

15.7.2021 - 13:29

Das Berner Verwaltungsgericht gibt einem kurdischen Flüchtling Recht. (Archivbild)
Das Berner Verwaltungsgericht gibt einem kurdischen Flüchtling Recht. (Archivbild)
Keystone

Ein heute 38-jähriger Kurde muss die Schweiz nicht verlassen, obwohl er nach einem Gewaltakt zu einer stationären Massnahme verurteilt worden ist. Das Berner Verwaltungsgericht hat die Beschwerde des Mannes gegen den Entzug der Niederlassungsbewilligung gutgeheissen.

pa, sda

Dies geht aus einem am Donnerstag publizierten Urteil des Verwaltungsgerichtes hervor. Die kantonale Sicherheitsdirektion hatte die Niederlassungsbewilligung des anerkannten Flüchtlings wegen schwerwiegenden Verstosses gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung widerrufen.

1999 war der damals 16-jährige Kurde im Rahmen eines Familiennachzugs mit seiner Mutter und den Geschwistern aus der Türkei zum Vater in die Schweiz gezogen. Dieser hatte Asyl erhalten. Nach fünf Jahren Aufenthalt erhielt der junge Mann schliesslich seinerseits die Niederlassungsbewilligung.

2007 schoss der Kurde mit einer Waffe auf einen Bekannten und verletzte diesen lebensgefährlich. Im darauf folgenden Strafprozess erachtete ihn das Gericht 2009 angesichts einer paranoiden Schizophrenie als nicht schuldfähig, ordnete jedoch eine stationäre therapeutische Massnahme an.

Nach der bedingten Entlassung führte der Mann die Therapien weiter und fand Arbeit. Seit 2019 lebt er bei seiner Schwester und arbeitet als Koch im Restaurants seines Bruders. Er wird lebenslang auf psychiatrische Behandlungen und entsprechende Medikamente angewiesen sein.

Kein soziales Netz in der Türkei

In einer Abwägung wertete das Verwaltungsgericht die privaten Interessen des Mannes am Verbleib in der Schweiz höher als das öffentliche Interessen an einer Wegweisung. Der Beschwerdeführer habe seine Heimat mit seiner Familie vor über 20 Jahren verlassen, und ihm sei in der Schweiz Asyl gewährt worden.

In der Türkei verfüge der Kurde über kein tragfähiges Netz, heisst es in der Urteilsbegründung. Bei einer Ausschaffung verlöre der Mann sein familiäres Netz und müsste das «bewährte Medikationssetting» abbrechen. Zudem attestierten ihm die Verwaltungsrichter ein hohes Mass an Selbstständigkeit im Alltag.

Der Mann müsse jedoch seine wirtschaftliche Integration weiter festigen und/oder sich aktiv um eine IV-Rente bemühen, mahnt das Verwaltungsgericht. Sollte der Mann ein Delikt oder eine neuerliche Gewalttat begehen, müsse er allenfalls mit einer Landesverweisung rechnen, auch wenn er wiederum als schuldunfähig beurteilt würde.

Das Urteil ist noch nichts rechtskräftig und kann innert 30 Tagen beim Bundesgericht angefochten werden.