Besetzung Nach polizeilicher Räumung in Zollikofen gehts ans Aufräumen

SDA

10.10.2019 - 16:15

Es scheint, als wären die Besetzerinnen und Besetzer des leerstehenden Betagtenheims in Zollikofen von der Polizei geradewegs vom Esstisch abgeführt worden. Auf improvisierten Tischen stehen noch die halbvollen Teller mit Spaghetti.

«Glas», «Pet» und «Alu» haben die 19 Frauen und Männer, die das weitläufige Gebäude vorübergehend zu ihrem Zuhause erklärt hatten, auf die Betonpfeiler am Kücheneingang gesprayt. Darunter steht je ein Kehrichtsack, wo die entsprechenden Gebinde entsorgt werden sollen.

Wo die Kochlöffel und Schnitzer hingehören, wo das Essbesteck, die Tassen und Teller ist ebenfalls klar ersichtlich. In Kisten lagern Salat, Karotten und anderes Gemüse. Selbst der Aufruf, doch bitte selber abzuwaschen, prangt über dem Spülbecken – irgendwie schon fast gutbürgerlicher Ferienlager-Groove.

Die Eingangshalle des ehemaligen Betagtenheims hat das Besetzerkollektiv zur öffentlichen Wohnstube umfunktioniert. Denn die Besetzerinnen und Besetzer wollen das brachliegende Haus für alle öffnen. Ihre Message: «Wir haben Visionen. Wir wollen diese Visionen umsetzen. Jetzt und nicht irgendwann (...).»

Gleich neben der Küche richtete das Kollektiv eine Bar ein. Wein gibt es für vier Franken, Bier kostet drei, wie auf einem Schild noch zu lesen ist. Sich treffen, diskutieren, gemeinsam kreativ sein, das war die wohl reichlich idealistische Vorstellung.

An einer Wand hängt ein Zettel, auf dem die Besetzerinnen und Besetzer weitere Ideen für Aktivitäten notierten. Von Karaoke über Lesungen, Konzerte, Basteln findet sich alles. Auch «etwas für die ältere Generation» wolle man bieten. Konkretes dazu war aber offenbar noch niemandem eingefallen. Fast ominös mutet der Vorschlag «Räuber und Bullen spielen» an, der jemand auf den Zettel gekritzelt hatte.

Doch die Nachbarschaft reagierte, gelinde gesagt, zurückhaltend auf das Angebot. Stattdessen gingen bei der Gemeinde zahlreiche Lärmklagen ein. In einer Ecke der guten Stube liegt am Donnerstag noch eine Trance-CD herum. Allein daran dürften die Lärmklagen aber wohl nicht gelegen sein.

Bunt und ziemlich siffig

Die Besetzerinnen mochten es bunt. Überall hängen Wimpel und Zeichnungen an den besprayten Wänden. Auf einem Tisch stapelt sich Bastelmaterial wie Stoffreste, Wolle und Farbe. Selbst eine Art Fitnesskeller hat es wahrscheinlich gegeben. In einem der Räume hängt ein Boxsack und in der Ecke ein -handschuh.

Das Kollektiv habe auf seine Art eine gewisse Organisation gehabt, stellte Gemeindepräsident Daniel Bichsel (SVP) bei einem Gang durch das Parterregeschoss fest. «Doch aus der Spaghettipfanne hätte ich lieber nicht essen wollen.»

Tatsächlich zeugte das Erdgeschoss aber nicht nur von wohlgeordneter Kommunenromantik. Es war nämlich auch einigermassen siffig. Überall liegen Zigarettenstummel, auf den Tischen stehen oder liegen leere Bier- und Weinflaschen. Und in der Küche ist die Wirkung des Aufrufs, selber abzuwaschen, offenbar verpufft.

Auch die Fassade des weitherum sichtbaren Betongebäudes besprayten die Besetzer. «Hebet kei Angst» prangt gross ein Schriftzug, der verrät, dass hier wohl nicht nur berndeutsch gesprochen respektive gesprayt wurde.

Ob die Fassade von den Tags befreit wird, ist laut Gemeindepräsident noch offen. Im Innern halten sich die Schäden durch die Besetzer einigermassen in Grenzen, einmal abgesehen von den Sprayereien.

Der Gebäudekomplex soll ohnehin umgebaut werden. «Wir müssen die Liegenschaft besenrein übergeben», führte Bichsel aus. Die Gebäudeversicherung will den Komplex übernehmen und eine Mehrgenerationensiedlung daraus machen. Doch noch fehlt eine rechtskräftige Überbauungsordnung.

Gebäude wird besetzersicher

Bis dahin soll das Gebäude nicht mehr besetzt werden können, denn mit den neuen Besitzern sei keine Zwischennutzung vereinbart worden, sagte Bichsel. Nun werde zuerst einmal der Abfall der Besetzung abgeführt, dann das Gebäude gesichert.

Dass es Bichsel ernst ist, beweist ein Lieferwagen von dem bereits am Mittag Sperrholzplatten abgeladen werden. Sie dienen wohl dazu, Fenster und Türen zu vernageln. Zudem wird auch eine private Sicherheitsfirma das Gebäude rund um die Uhr bewachen – zumindest eine Zeit lang, wie Bichsel sagte.

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