Der Berner Regierungsrat hat die Folgekosten des Volksvorschlags zur Sozialhilfe teilweise zu hoch eingeschätzt. Zu diesem Schluss kommen externe Prüfer, welche die Zahlen auf Geheiss des Grossen Rates unter die Lupe genommen haben.
Den Prüfbericht zu den finanziellen Auswirkung der Teilrevision des Sozialhilfegesetzes und des Volksvorschlages publizierte die Kommission für Staatspolitik und Aussenbeziehungen (SAK) am Freitag. Der Bericht soll nun als Grundlage für die Erstellung der Abstimmungsbotschaft dienen.
Das Stimmvolk entscheidet am 19. Mai über den Volksvorschlag wie auch über die Revision des Sozialhilfegesetzes, das Kürzungen beim Grundbedarf vorsieht.
Volksvorschlag 36 Mio. teurer als Sparvorlage
Die Prüfer des Volkswirtschaftlichen Beratungsbüros B.S.S. aus Basel kommen zum Schluss, dass der Volksvorschlag zu jährlichen Sozialhilfe-Ausgaben von 289 bis 300 Millionen Franken führt - das sind 17 bis 28 Millionen Franken mehr im Vergleich zum heute geltenden Recht, das Kosten von 272 Millionen Franken pro Jahr verursacht.
Gegenüber der Grossratsvorlage, die Kürzungen beim Grundbedarf vorsieht, kostet der Volksvorschlag laut Schätzungen der externen Experten 36 Millionen Franken mehr pro Jahr. Davon sind 24 Millionen darauf zurückzuführen, dass der Volksvorschlag am Grundbedarf gemäss den geltenden SKOS-Richtlinien festhalten will - inklusive Teuerung.
Die Regierung schätzte die Mehrkosten des Volksvorschlags je nach Variante auf 49 bis 178 Millionen Franken, was von den Urhebern des Volksvorschlags als "Schwarzmalerei" kritisiert worden war.
Das linksgrüne Komitee "Wirksame Sozialhilfe" sah sich am Freitag bestätigt. Der Bericht zeige, dass die Zahlen des Regierungsrates nicht für die Abstimmungsbotschaft taugten, teilte das Komitee mit.
Der Grosse Rat hatte im November die SAK beauftragt, die umstrittenen Zahlen unter Einbezug von unabhängigen Experten zu überprüfen. Der zuständige Regierungsrat Pierre Alain Schnegg (SVP) zeigte sich damals im Rat mit einer unabhängigen Validierung der Zahlen einverstanden.
Nicht alle Älteren ausgesteuert
Laut den externen Prüfern überschätzte die Regierung die Kostenfolgen vor allem bei der Unterstützung von älteren Arbeitslosen. Der Volksvorschlag sieht die Einführung von Ergänzungsleistungen für über 55-jährige Arbeitslose vor. Laut den Experten dürfte dies den Staat pro Jahr rund 12 Millionen Franken kosten.
Die verfügbaren Statistiken zeigten, dass ein "substanzieller Anteil" der Betroffenen dieser Altersgruppe wieder eine Stelle antritt. Der Regierungsrat war in der Maximalvariante davon ausgegangen, dass alle über 55-jährigen Arbeitslosen finanziell unterstützt werden müssten.
"Nicht plausibel" ist aus Sicht der Prüfer auch die Annahme des Regierungsrates, dass der Volksvorschlag beim Einkommensfreibetrag höhere Kosten verursache. Der Prüfbericht beziffert die entsprechenden Kosten mit jährlich 14-21 Millionen Franken gleich hoch wie bei der Gesetzesrevision.
Auch bei der Integrationszulage gehen die Prüfer von identischen Kostenfolgen für beide Vorlagen aus. Unbestritten sind die Mehrkosten des Volksvorschlags beim Grundbedarf.
Langfristige Effekte kaum quantifizierbar
Nicht in den Berechnungen berücksichtigt haben die Prüfer die langfristigen Effekte der demographischen und wirtschaftlichen Entwicklung sowie die Anreize auf die Arbeitssuche. Diese Effekte seien kaum quantifizierbar.
Aus Sicht der Kommission SAK leistet der Prüfbericht "die verlangte fundierte, kritische Überprüfung der vorhandenen Berechnungen" und stelle damit eine geeignete Grundlage für die Abstimmungsbotschaft dar.
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