JustizStaatsanwaltschaft beantragt 17 Jahre Freiheitsstrafe für Tunesier
SDA
16.6.2020 - 18:27
Die Staatsanwaltschaft hat am Dienstag vor dem bernischen Obergericht eine schärfere Strafe für einen Tunesier verlangt, der im Februar 2016 seine Ehefrau umbrachte. Der Verteidiger forderte ein milderes Urteil als die erste Instanz vor gut einem Jahr ausgefällt hatte.
Das erstinstanzliche Regionalgericht in Burgdorf hatte den heute 36-jährigen Mann wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Der Tunesier legte gegen das Urteil Berufung ein, weshalb es am Dienstag vor dem bernischen Obergericht zur Verhandlung kam.
Der Angeklagte ist geständig, seine Ehefrau mit einem Messer umgebracht zu haben, weil er ihre Untreue vermutete. Nach einem Streit sei er einfach «explodiert», wie der Mann vor Obergericht sagte.
Die Sache mit dem Schicksal
Er stellte sich am Dienstag als Opfer des Schicksals dar. Nach dem Streit mit der Frau sei er zunächst aus dem Haus gegangen und dann zurückgekehrt. Und dann sei dort beim Eingang das grosse Messer gelegen. Er habe das Gefühl, «dass jemand das für mich geplant hatte», sagte er. Richtig erklären könne er sich die Tat nicht.
Ob er den gewaltsamen Tod seiner Frau als eine Art Schicksalsschlag empfinde, wollte das Gericht wissen. «Ja, das kann man so sagen», antwortete der Angeklagte. Auf die Frage, wer denn dafür verantwortlich sei sagte der Tunesier nur: «Der liebe Gott».
Skrupelloser Mörder
Die Staatsanwältin zeichnete das Bild eines egoistischen, skrupellosen Täters, der seine eigene Frau beinahe enthauptet und dann zugesehen habe, wie sie qualvoll am eigenen Blut erstickt sei. Dann habe er sich einen Kaffee gemacht, eine Zigarette geraucht und danach seelenruhig der Polizei geschildert, dass er seine Ehefrau umgebracht habe weil sie ihm untreu gewesen sei.
Der Tunesier habe die Frau aus nichtigen Gründen ermordet, weil sie ihm durch ihre angebliche Untreue nicht den von ihm eingeforderten Respekt entgegengebracht habe, betonte die Staatsanwältin. Sie forderte für den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von 17 Jahren wegen Mordes
Kranker Mann
Der Verteidiger plädierte stattdessen auf vorsätzliche Tötung. Von Mord könne keine Rede sein, denn der psychisch stark angeschlagene Täter habe chronische Eheprobleme gehabt, die beim Streit eskaliert seien. Er habe im Affekt gehandelt.
Kein gutes Haar liess der Verteidiger am psychiatrischen Gutachten über den Täter. Der Gutachter war darin zum Schluss gekommen, dass der Tunesier zwar verschiedene psychische Auffälligkeiten zeigt, diese aber zum Tatzeitpunkt keinen massgeblichen Einfluss auf die Tat hatten. Der Mann sei schuldfähig.
Der Gutachter sei der einzige, der das so sehe, kritisierte der Verteidiger. Alle anderen Therapeuten und Ärzte hätten bei dem Mann eine Borderline-Störung diagnostiziert. Sein Mandant sei psychisch krank, was es im Urteil entsprechend zu würdigen gelte. Der Verteidiger verlangte wegen vorsätzlicher Tötung eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und eine stationäre Therapie.
Nicht massgeblich beeinträchtigt
Der Verfasser des kritisierten Gutachtens wurde vom Gericht am Vormittag als Sachverständiger befragt. Der Psychiater hielt deutlich an seinen Einschätzungen fest, wonach der Angeklagte zum Tatzeitpunkt nicht durch psychische Störungen massgeblich beeinträchtigt gewesen sei.
Der Gutachter hatte zwar mehrere Störungsbilder bei dem Mann entdeckt. Zudem befand sich der Tunesier in einer schwierigen Paarbeziehung. Dies alles habe bei dem Mann heftige Emotionen ausgelöst, etwa Wut, Ohnmacht, Unsicherheit und Eifersucht.
Dies ordnete der psychiatrische Sachverständige aber als «normalpsychologische Reaktion» auf eine Konfliktsituation ein und nicht als krankhaft. Denn: nicht das Mass der Emotionen, sondern deren Herkunft sei entscheidend für ein krankhaftes Verhalten.
Eine Borderline-Störung, wie sie die Verteidigung schilderte, hätte sich im Verhalten des Mannes bereits in jungen Jahren und bis heute anhaltend niedergeschlagen. Doch dies sei nicht der Fall. Für eine solche Erkrankung gebe es vor und nach der Tat keine Hinweise.
Borderline-Patienten haben laut psychiatrischem Gutachter eine gespaltene psychische Grundstruktur und sähen abwechselnd alles ganz schlecht oder ganz gut. Ambivalenzen, wie sie der Angeklagte mit seiner Hassliebe zur Ehefrau zeigte, passten nicht ins Borderline-Krankheitsbild.
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