Justiz Staatsanwaltschaft verlangt Schuldspruch für Bergführer

SDA

23.1.2019 - 15:09

Im zweitinstanzlichen Prozess gegen einen Bergführer hat am Mittwoch die Staatsanwaltschaft vor dem bernischen Obergericht einen Schuldspruch verlangt. Der Bergführer ist der fahrlässigen Tötung angeklagt, nachdem im Jahr 2011 ein Mädchen auf einem Kletterausflug ums Leben gekommen war.

Der Bergführer war mit dem Mädchen und seiner Freundin zunächst in einem Seilpark und einem Klettergarten bei Adelboden im Berner Oberland unterwegs. Dort konnten sich die beiden Jugendlichen mit verschiedenen Techniken vertraut machen.

Der heute 48-jährige Bergführer beurteilte die beiden Mädchen im Verlauf des Vormittags als trittsicher, angstfrei, vital und fit. So beschloss er, am Nachmittag mit ihnen in die Cholerenschlucht etwas unterhalb von Adelboden zu fahren, wo sie sich über die Felswand abseilen wollten.

Auf dem Pfad zum Abseilpunkt, den die Gruppe noch ohne Sicherung beging, stolperte das zuhinterst gehende Mädchen, rutschte über einen kurzen Abhang und stürzte 50 Meter tief in die Schlucht. Auf dem Weg ins Spital erlag die 13-Jährige ihren Verletzungen.

Das erstinstanzliche Regionalgericht Berner Oberland sprach den Bergführer im Jahr 2017 frei. Da dieses Urteil von Angehörigen angefochtene wurde, steht der Bergführer seit Dienstag vor dem bernischen Obergericht.

Die Kehrtwende

Die Anwälte der Angehörigen des Opfers hatten bereits am Dienstag einen Schuldspruch gefordert. Der Bergführer habe seine Sorgfaltspflicht verletzt und sei unerlaubt hohe Risiken eingegangen.

Am Mittwochmorgen war die Reihe an der Staatsanwaltschaft. Anders als noch vor der ersten Instanz, plädierte der stellvertretende Generalstaatsanwalt vor Obergericht nun ebenfalls für einen Schuldspruch.

Er beurteilte die Wahrscheinlichkeit eines Sturzes an dieser Stelle höher als die erste Instanz. Hätte der Bergführer die beiden Mädchen bereits auf dem Zustiegspfad gesichert, wäre der Unfall nicht passiert.

Der Bergführer sei zu einer bedingten Geldstrafe von 90 Tagen zu 130 Franken zu verurteilen - bei einer Probezeit von zwei Jahren, lautete der Antrag der Staatsanwaltschaft.

Das Restrisiko

Der Verteidiger forderte für seinen Mandanten einen Freispruch. Der Bergführer habe keine Anzeichen gesehen, dass die Mädchen linkisch, ängstlich oder unvorsichtig waren. Sie erschienen ihm vielmehr als trittsicher und motiviert.

Vor diesem Hintergrund habe er die beiden Teenager auf dem Zustieg in die Cholerenschlucht auch nicht anseilen müssen. Der Tour-Guide habe die Mädchen sehr wohl sensibilisiert, dass sie auf den Pfad Acht geben und schauen sollen, wo sie hintreten.

Der Verteidiger sprach in seinem Plädoyer auch das Verhältnis unserer heutigen Gesellschaft zum Risiko an. "Heute hinterfragen wir alles, sogar, ob ein Badibesuch einer Schulklasse verantwortbar ist."

Man müsse aber im Leben zulassen, "dass es ein Restrisiko gibt", sonst dürfe man sich nicht mehr aus dem Haus wagen, schloss der Verteidiger. Das Urteil des bernischen Obergerichts wird am Freitag bekannt gegeben.

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