Theater Im Palast der Erinnerungen und der vergangenen Glücksgefühle

SDA

18.4.2019 - 10:02

In einer ehemaligen Kunstgarnfabrik in Emmenbrücke werden vom 25. April bis 29. Juni im Theaterstück «Gedächtnispalast» Lebensfäden gesponnen und verknüpft. Dazu wird in diesen Tagen als Bühne und Zuschauerraum eine riesige Landschaft mit Erinnerungsorten der Hauptfiguren aufgebaut.

«Manchmal glaube ich, wir spinnen», sagt Regisseurin Annette Windlin bei einem Rundgang durch die Spinnerei Nylon 6. Rund zwei Wochen vor der Première wird in den seit Jahren leerstehenden Hallen noch geputzt und aufgebaut. Die Bar nimmt Gestalt an, Teile der überwältigend grossen, aber auch äusserst filigranen Theaterinstallation warten indes bereits auf Spieler und Zuschauer.

Windlins Staunen über den eigenen Mut bezieht sich auf die Grösse des Unterfangens. Der «Gedächtnispalast» ist ein Stück in 60 Szenen, gespielt von neun Profis und 34 Laien auf fünf Stockwerken und einer Fläche von 5000 Quadratmetern. Er ist mit einem 1,2-Millionen-Franken-Budget aber auch eine teure Produktion mit einer jahrelangen Vorbereitung.

Lang gehegter Wunsch

Schon 2011 hatte die Schwyzer Regisseurin erste Ideen für ein Stück, in dem sich die Zuschauer frei bewegen. Nach diesem Prinzip funktioniert nun der «Gedächtnispalast», der bald auf dem Areal der ehemaligen Viscosi-Fabrik bespielt wird und besichtigt werden kann.

Autorin Martina Clavadetscher erzählt im «Gedächtnispalast» die imaginären Familiengeschichten von Marga und Hannes. Es sind Episoden mit Erdachtem, Verfälschten und Erlebten. Der «Gedächtnispalast» sei wie ein riesiges Hirn voller Erinnerungen, sagt Windlin und geht, wie später die Zuschauer, durch das Gewirr von polierten Kesseln und gewundenen Röhren der ehemaligen Kunstfaserfabrik.

Frei im Palast bewegen

Die Theaterbesucher werden in Gruppen auf die fünf Stockwerke verteilt werden. Dann kann sich jeder frei durch den «Gedächtnispalast» mit seinen sorgfältig und detailreich geschaffenen, mit Klängen unterlegten Szenerien bewegen. Bereits aufgebaut ist etwa eine seltsame Gartenlandschaft mit Zwergen und offenen Vogelkäfigen oder ein Zimmer mit Wänden aus Taschentuchboxen.

Die Zuschauer werden auch verweilen dürfen, die Installationen genauer unter die Lupe nehmen und in Erinnerungen schwelgen können. Sie erleben das Theater in ihrem eigenen Tempo. «Niemand wird aber alle Szenen sehen», sagt Windlin.

Was für den Besucher des «Gedächtnispalasts» zufällig aussehen wird, folgt einem genauem Ablauf. Die Schauspieler, die in verschiedenen Szenen auf verschiedenen Etagen spielen, müssen sich zum rechten Zeitpunkt treffen. Bis zu zwölf Szenen werden gleichzeitig gespielt. Der ganze Ablauf müsse dabei fliessend und magisch aussehen, sagt Windlin.

Bruchstücke verbinden

Die Lebensgeschichten von Magda und Hannes werden für den Zuschauer ein Fragment bleiben. Jeder kann selbst die Bruchstücke verknüpfen und sich, auch mit Hilfe eigener Erinnerungen, eine Geschichte zusammenspinnen. Fehlendes kann auch im Gespräch mit Zuschauern, die andere Szenen sahen, ergänzt werden. Windlin empfiehlt deswegen Paaren, sich nicht gemeinsam auf die «Gedächtnispalast»-Tour zu begeben.

Immer wieder wird im Stück die Frage nach dem Glück, nach dem schönsten Moment im Leben, gestellt werden. Glück habe mit Erinnerungen zu tun, sagt Windlin. Im «Gedächtnispalast» könnten die Besucher auch mit ihren eigenen Glücksmomenten in Kontakt treten.

Skurrile Welt neu aufgebaut

Einen wichtigen Impuls zum «Gedächtnispalast» und das Material für die Installationen gab ein Haus in Küssnacht SZ, auf das Windlin zusammen mit ihren Ausstatterinnen Ruth Mächler und Valentina Maria Mächler 2015 gestossen ist. Das Haus sei wunderlich gewesen, erzählt Windlin, und vom Keller bis zum Dach gefüllt.

Die drei Geschwister, die in dem Haus abgeschottet lebten, sammelten nicht nur tausende Gegenstände, sondern schufen sich mit diesen auch ihre eigene Welt, ihren eigenen «Gedächtnispalast». Auch hier stellt sich die Frage, wie viel Glück und Unglück, welche Erinnerungen in dieser skurrilen Sammlung stecken. Windlin und ihr Team sichteten das Material und bauten es nun nun zu einem neuen prächtigen «Gedächtnispalast» zusammen.

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