Prozess Mildere Strafen verlangt nach tödlichem Streit in Hohenrain LU

SDA

13.6.2019 - 17:44

Auf dem Befragungsstuhl vor dem Luzerner Kantonsgericht nahmen drei Beschuldigte im Falle des tödlichen Streit in Hohenrain rund zehn Jahre nach der Tat Platz.
Auf dem Befragungsstuhl vor dem Luzerner Kantonsgericht nahmen drei Beschuldigte im Falle des tödlichen Streit in Hohenrain rund zehn Jahre nach der Tat Platz.
Source: Luzerner Gerichte

2009 starb in Hohenrain LU ein Brasilianer bei einem Streit zweier Gruppen durch ein Messer. Drei Männer wurden für den Angriff erstinstanzlich verurteilt; einer von ihnen soll den tödlichen Stich ausgeführt haben. Vor Kantonsgericht verlangten alle mildere Strafen.

Drei gegen vier waren es in jener Augustnacht, als die drei Beschuldigten mit Pfefferspray, Hammer und Messer auf vier Brasilianer losgingen. Ein heute 28-jähriger Kosovare wollte sich für einen Faustschlag rächen, den er zuvor an einem Fest in Hochdorf erhalten hatte. Einer der Brasilianer wurde erstochen, die drei Beschuldigten hauten ab.

Für die tödlichen Stiche hatte das Kriminalgericht 2017 einen heute 37-jährigen Mazedonier wegen eventualvorsätzlicher Tötung zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren und 3 Monaten verurteilt. Zwei beteiligte Kosovaren hatten zwei- und dreieinhalb Jahre Gefängnis erhalten. Die Anklage hatte einen heute 32-jährigen Kosovaren als Messerstecher bezeichnet und höhere Strafen gefordert.

Zwei gegen einen waren es in der Berufungsverhandlung am Donnerstag vor dem Luzerner Kantonsgericht. Der 28-jährige Kosovare und der Mazedonier versuchten, das Gericht davon zu überzeugen, dass ihr Kollege den Brasilianer erstochen haben müsse.

Verletzung des Beschleunigungsgebots

Die Verteidigung des Mazedoniers verlangte einen Freispruch vom Vorwurf der eventualvorsätzlichen Tötung. Sein Mandant sei lediglich wegen Angriffs schuldig zu sprechen und mit einer teilbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren oder weniger zu bestrafen.

Einerseits sei mit der zehnjährigen Verfahrensdauer das Beschleunigungsgebot verletzt worden. Anderseits habe die Vorinstanz die Indizien einseitig und einzeln zu Lasten des Mandanten gewürdigt.

Sie zog die Aussagen des 32-jährigen Kosovaren in Zweifel, der sich nach der Tat nach Kosovo abgesetzt hatte und erst 2015 befragt werden konnte. Er habe seine Tatbeteiligung heruntergespielt. Die Vorinstanz irre, wenn sie annehme, er sei bloss wegen seines illegalen Aufenthaltes in der Schweiz geflüchtet.

Schützenhilfe erhielt der Mazedonier auch vom 28-jährigen Kosovaren. Sein Mandant, sagte dessen Anwalt zwar, habe sich nachweislich einzig auf einen Brasilianer konzentriert, der unverletzt blieb, und könne nicht sagen, wer zugestochen habe. Aber der Mazedonier könne es nicht gewesen sein, weil er stets bei ihm gewesen sei.

Er verlangte einen Freispruch vom Vorwurf des Angriffs oder aber eine massive Reduktion, der «unverhältnismässig hohen» Strafe für die Tat in «jugendlichem Leichtsinn». Eine Strafe über zwei Jahre hätte nämlich allenfalls eine Wegweisung aus der Schweiz zur Folge.

Konspiration gewittert

Auch der zweite Kosovare, den das Kriminalgericht am mildesten bestrafte, verlangte eine Reduktion der Freiheitsstrafe auf 15 Monate bedingt. Sein Verteidiger sagte, sein Mandant sei zur falschen Zeit mit falschen Zeitgenossen am falschen Ort gewesen.

Die beiden Mitbeschuldigten bezichtigte er der Konspiration. Diese hätte bereits kurz nach der Tat für Klage gesorgt. Die beiden seien überdies die einzigen Beteiligten, die seinen Mandanten belasten würden, obwohl keiner gesehen haben wolle, wer den Messerstich ausführte. Dagegen würden sich die Aussagen der Brasilianer mit jenem seines Mandanten decken.

Der Staatsanwalt verlangte die Bestätigung der erstinstanzlichen Urteile. Er hatte Anschlussberufung eingelegt, damit bei einem Freispruch des Mazedoniers durch das Kantonsgerichts der 32-jährige Kosovare für die Tat belangt wird. In diesem Falle sei eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Jahren angemessen.

Vertuschung

Die lange Dauer des Verfahrens sei systembedingt, sagte der Staatsanwalt. Aufgrund der vielen Beteiligten gäbe es fast zu jeder Aussage in den Akten eine widersprüchlich lautende. Dazu kämen ausgeklügelte Vertuschungshandlungen, so habe etwa der Mazedonier sich nach der Tat die Haare geschnitten, Tatwerkzeuge entsorgt und das Auto gereinigt.

Er stellte vor Gericht die Frage, wie man mit einer solch schrecklichen Tat leben könne. «Solche Taten kann man verdrängen oder schönreden, aber nicht vergessen. Sie belasten das Gewissen, wenn es denn vorhanden ist.»

Der Prozess geht am Freitag weiter. Das Urteil wird zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht.

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