ProzessVergewaltigungsvorwurf im Drogenmilieu: Freispruch gefordert
kad, sda
5.2.2021 - 16:56
Mit einem Vorfall im Drogenmilieu hat sich das Luzerner Kriminalgericht am Freitag befasst. Angeklagt war ein 32-Jähriger, dem eine Nachbarin vorwarf, sie 2017 vergewaltigt zu haben. Der Staatsanwalt forderte eine Gefängnisstrafe, der Verteidiger einen Freispruch.
Zugetragen haben soll sich die Vergewaltigung in einer Oktobernacht an der Baselstrasse in der Stadt Luzern. Die Schilderungen vor Gericht gaben einen Einblick ins Drogen- und Rotlichtmilieu.
Beim mutmasslichen Opfer handelt es sich um eine Prostituierte. Sie sagte aus, der Beschuldigte, der im gleichen Haus wohnte, habe sie in jener Nacht in der Waschküche vergewaltigt. Laut dem Staatsanwalt hatte er ihr Kokain gegen Sex angeboten. Als sie dies ablehnte, verging er sich an ihr. Im Treppenhaus sei er sie erneut sexuell angegangen.
Anders schilderte der Beschuldigte die Sache, der sich zu Unrecht vor Gericht sah. Die Frau habe ihm Sex angeboten, er aber wollte Kokain. Dieses habe sie ihm verkauft und ihn in der Waschküche vier Linien à 20 Franken von seinem Handy schnupfen lassen. Als er danach sein Handy nicht mehr fand, habe er die Frau gepackt und ihr in den BH gegriffen, weil sie dort die Drogen aufbewahrte.
Im Ausschnitt hab er das Gerät gefunden, zusammen mit Geld, Kokain und anderen Drogen. Er habe all dies mitgenommen und sei nach Hause gegangen.
«Es durchgezogen»
Die Frau meldete der Polizei vorerst einzig eine versuchte Vergewaltigung im Treppenhaus. Eine Ärztin stellte verschiedene Verletzungen fest – an Bauch, Brust und Lippe. Erst später vertraute sich die Frau einem Polizisten der Aussenfahndung an und sagte, der Beschuldigte habe «es in der Waschküche durchgezogen».
Vor Gericht sagte die Frau, sie habe zwar geschrien. Doch: «In diesem Haus kann man vergessen, dass jemand rauskommt.» Sie habe die Vergewaltigung bei den ersten zwei Befragungen nicht erwähnt, weil sie nicht zur Untersuchung in die Frauenklinik habe gehen wollen, um nicht im Intimbereich berührt zu werden.
Dies nannte der Verteidiger «fadenscheinig» angesichts der sexuellen Aktivität der Frau auf dem Drogenstrich. Es sei überdies nicht glaubhaft, dass sie das Hauptereignis verschwieg und bloss den Versuch erwähnte. Ein Glaubwürdigkeitsgutachten zu ihren Aussagen zerzauste er als unbrauchbar. Darauf dürfe die Anklage nicht abstützen. Es gelte das Prinzip: Im Zweifel für den Angeklagten.
«Nie Falschaussagen gemacht»
Dem hielt der Staatsanwalt entgegen, es sei nachvollziehbar, dass eine Frau in ihrer Situation der Polizei möglichst wenig preisgeben wolle. So habe sie später gar bereut, überhaupt ausgesagt zu haben. Sie habe aber nie Falschaussagen gemacht.
Der Beschuldigte dagegen habe sich in Widersprüche verstrickt und bei jeder Einvernahme eine neue Version aufgetischt. So gab er anfänglich an, die Frau nicht zu kennen und sagte gar: «Dieser Frau könnte ich nicht einmal ins Gesicht spucken.» Erst als ihm vorgehalten wurde, seine DNA sei auf der Brust der Frau gefunden worden, änderte er seine Aussagen.
Seit seiner dritten Einvernahme versuche der Beschuldigte das Opfer zu diskreditieren, sagte der Staatsanwalt. Er stelle sich selbst als Opfer dar. Für die Vergewaltigung und für eine versuchte schwere Körperverletzung, weil er bei einer Kurden-Demonstration in Bern einen Mann gegen den Kopf getreten haben soll, forderte er fünf Jahre Gefängnis.
Der Mann soll zuerst in eine geschlossene Klinik geschickt werden, weil er laut einem Gutachten ein dissozialer, emotional instabiler und narzisstischer Typ sei. Dies auch mit Blick darauf, dass der obligatorische Landesverweis von zehn Jahren nicht möglich sei, da der beschuldigte Kurde, der seit 2010 in der Schweiz lebt, ein anerkannter Flüchtling sei.
«Der Landesverweis wäre der Tod für mich», sagte der Beschuldigte in seinen wortreichen und teils sehr emotionalen Ausführungen. Sein Verteidiger forderte Freisprüche. Einzig wegen der Teilnahme an der Demonstration sei er des Landfriedensbruchs zu einer bedingten Geldstrafe zu verurteilen. Das Urteil wird zu einem späteren Zeitpunkt schriftlich eröffnet.
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