Der Kanton Luzern muss rückwirkend tausenden Familien Prämienverbilligungen ausbezahlen, weil er laut Bundesgericht 2017 das anspruchsberechtigte Einkommen zu tief angesetzt hatte. Der missglückte Sparversuch kostet ihn nun insgesamt 25 Millionen Franken.
Diese Mehrkosten betreffen die Rückzahlungen für die Jahre 2017, 2018 und 2019. Gemäss dem gesetzlichen Kostenteiler tragen Kanton und Gemeinden diese je hälftig, wie Gesundheits- und Sozialdirektor Guido Graf am Donnerstag vor den Medien sagte.
Der Kanton korrigiert die Obergrenze nach dem Bundesgerichtsurteil für diese drei Jahre nun wieder nach oben und zwar von 54'000 auf neu 78'154 Franken. "Wir möchten die Umsetzung der Rückzahlung schnellstmöglich über die Bühne bringen", sagte Graf. "Kulant und kundenorientiert."
Laut Graf bräuchten Einwohnerinnen und Einwohner des Kanton Luzern, die in einem oder mehreren Jahren in diesem Zeitraum ein Gesuch um eine Prämienverbilligung für Kinder und junge Erwachsene in Ausbildung eingereicht hatten und deren Eingabe aufgrund der Einkommensgrenze von 54'000 Franken im Jahr 2017 beziehungsweise 60'000 Franken in den Jahren 2018 und 2019 abgelehnt wurde, keine weiteren Schritte zu unternehmen.
Die Ausgleichskasse des Kantons prüfe diese abgelehnten Gesuche automatisch und orientiere im Anschluss die betreffenden Personen. Eine allfällige Auszahlung erfolge an die jeweilige Krankenkasse.
Jene, die bislang noch kein entsprechendes Gesuch für diese Jahre eingereicht haben, können dies nachholen. Sie können dies zwischen dem 8. Februar und dem 31. Oktober tun. Auch bei ihnen erfolgt die Auszahlung an die jeweilige Krankenkasse.
Zwischen 5000 bis 10'000 Haushalte
Bei den Rückerstattungen in der Höhe von 25 Millionen Franken handelt es sich teils um Rückzahlungen von Rückzahlungen. 2017 mussten nämlich 7870 Familien Prämien zurückerstatten, weil diese im Zuge des budgetlosen Zustands provisorisch ausbezahlt und anschliessend gekürzt worden waren.
Pro Jahr würden nun insgesamt zwischen 5000 und 10'000 Franken Haushalte von den Rückzahlungen profitieren, sagte Departementssekretär Erwin Roos. Für das Geld brauche es keinen Nachtragskredit, ergänzte Graf. Unter anderem will er Rückstellungen auflösen.
Graf wollte das Bundesgerichtsurteil politisch nicht kommentieren. Die sozialpolitische Bedeutung der Prämienverbilligung werde dadurch aber unterstrichen. Und: "Es ist ein Leitentscheid für die Schweiz."
Klar, es sei nicht gut für den Kanton, was passiert sei, sagte Graf. Von einem Reputationsschaden will er aber nicht sprechen. Es habe ihn damals auch geschmerzt, zu Lasten der Familien entscheiden zu müssen. Nun sei er froh um das Bundesgerichtsurteil. "Jetzt haben wir etwas Messbares in der Hand", sagte Graf. Wenn die Sommerferien bevorstünden, würde er sich vielleicht in einem "Aufsatz" mit der Definition des Mittelstands befassen, fügte er an und lachte.
Insgesamt bezahlte der Kanton Luzern 2017 für Prämienverbilligungen 163,6 Millionen Franken und 2018 181,8 Millionen Franken aus.
Gescheiterte Sparmassnahme
Der Luzerner Regierungsrat hatte 2017 als Sparmassnahme als Reaktion auf die vom Volk abgelehnte Steuerfusserhöhung die Prämienverordnung angepasst. Er reduzierte das anspruchsberechtigte Einkommen zur Verbilligung der Krankenkassenprämien für Familien mit Kindern und jungen Erwachsenen von 75'000 Franken auf 54'000 Franken.
Diese Einkommensgrenze sei zu tief angesetzt, hielten die Bundesrichter in ihrem Urteil fest, das die SP Luzern am Samstag veröffentlichte. Sie hatte das Gerichtsverfahren angestrebt.
Zwar geniessen die Kantone diesbezüglich eine erhebliche Entscheidungsfreiheit, hielten die Richter fest. Doch selbst unter Achtung dieser Autonomie widerspreche die Einkommensgrenze von 54'000 Franken dem Sinn und Geist des Bundesrechts, da nur ein verschwindend kleiner Teil des Spektrums der mittleren Einkommen in den Genuss der Prämienverbilligung komme.
Die Bundesrichter korrigierten somit das Urteil des Kantonsgerichts, welches die Beschwerde gegen die Reduktion im vergangenen Februar abgewiesen hatte.
SP: "Lösung ist akzeptabel"
In einer ersten Stellungnahme schreibt die SP des Kantons Luzern, die von der Regierung präsentierte Lösung sei aufgrund des Bundesgerichtsurteils "nur folgerichtig". Sie sei als Minimallösung für die SP "akzeptabel und absolut zwingend". Die SP will die konsequente und umgehende Umsetzung genau verfolgen.
Die von der Regierung berechneten 25 Millionen Franken erachtet sie als "konservative Schätzung" und geht eher von höheren Kosten aus. Auch, weil rückwirkend neue Gesuchseingaben möglich seien.
Die SP Luzern will mit einer Volksinitiative sicherstellen, dass die Verbilligung der Krankenkassenprämien nicht unter das Niveau von 2016 fällt, als die Grenze 75'000 Franken betrug.
Das Parlament hatte es im Dezember abgelehnt, über die Initiative zu beraten. Es wollte zuerst das Bundesgerichtsurteil in dem Fall abwarten. Laut Parteipräsident Roth ist die Initiative mit dem Urteil nicht obsolet geworden. Man könne die Anliegen des Vorstosses nun auf der neuen Grundlage rasch behandeln.
Regierungsrat Graf sagte an der Medienkonferenz, er wolle bis zu den Osterferien dem Parlament eine Botschaft zur Initiative vorlegen. Graf geht von einem Gegenvorschlag aus.
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