VerkehrsüberwachungAus für automatische Fahrverbot-Überwachung im Kanton Aargau
ga, sda
11.2.2022 - 14:50
Ein Urteil des Bezirksgerichts Baden AG führt zu einem Aus von Durchfahrtskontrollen mit elektronisch-visuellen Geräten in Baden – und wohl im ganzen Aargau. Der Kanton hatte den Regionalpolizei bereits klar gemacht, dass keine Rechtsgrundlage für den Einsatz von Systemen der automatischen Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung besteht.
11.02.2022, 14:50
SDA
Hintergrund des Endes der elektronisch-visuellen Kontrollen ist der Fall einer Autolenkerin, die in Ennetbaden ein Fahrverbot missachtet hatte. Die Stadtpolizei büsste die Lenkerin mit 100 Franken. Die Fotografie einer an einem Kandelaber installierten Kamera war der Beweis für die Missachtung des Fahrverbots.
Die Frau wehrte sich mit einer Einsprache beim Bezirksgericht Baden und erhielt recht. Das Gericht bemängelte das eingesetzte Beweismittel und erliess der Lenkerin die Ordnungsbusse. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau verzichtete auf den Weiterzug des Urteils.
Als Konsequenz verzichtet die Stadtpolizei Baden auf die Kontrolle von signalisierten Durchfahrtsverboten mit Kameras, wie die Stadtkanzlei am Freitag mitteilte. Eine Analyse des rechtskräftigen Urteils zeige, dass das eingesetzte Kontrollverfahren nicht ohne Weiteres angepasst werden könne. Die geltenden Durchfahrtsverbote könnten künftig nicht mehr konsequent durchgesetzt werden.
Der Stadtrat Baden, der im Rechtsstreit nicht Partei war, weist darauf hin, dass es nun an den zuständigen Stellen des Kantons liege, die Voraussetzungen zu schaffen, damit effektive Kontrollen erlassener Durchfahrtsverbote wieder möglich würden.
Kanton klärt Regionalpolizeien auf
Der kantonale Justiz- und Polizeidirektor Dieter Egli (SP) machte die Gemeinden in einem Schreiben schon früher klar, dass keine Rechtsgrundlage für den Einsatz von Systemen der automatischen Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung (AFV) bestehe, um Fahrverbote kontrollieren zu können.
«Die mittels solcher Systeme erlangten Beweise dürfen im Strafverfahren nicht verwertet werden», heisst es im Brief, aus dem die «Aargauer Zeitung» zitierte. «Zudem dürfen die mittels AFV-Systemen oder mit anderen nicht zugelassenen Systemen festgestellten Widerhandlungen gegen Fahrverbote weder im ordentlichen Strafverfahren noch im Ordnungsbussenverfahren geahndet werden.»
Die Begründung der Urteils sei klar. Auch hätten Mitarbeitende des Departements Volkswirtschaft und Inneres (DVI) die Chefs der Regionalpolizeien bereits in der Vergangenheit mehrmals auf diese Rechtslage hingewiesen und ihnen dringend empfohlen, diese unzulässige Praxis einzustellen beziehungsweise zu unterlassen.
Bundesgericht setzt enge Grenzen
Bereits 2019 kam das Bundesgericht in einem Fall im Kanton Thurgau zum Schluss, dass es eine klare gesetzliche Grundlage für den Einsatz einer AFV braucht. Konkret hiess das Bundesgericht die Beschwerde eines Mannes gut, der ohne Führerausweis Auto fuhr.
Das Bundesgericht hielt in seinen Erwägungen fest, dass das Thurgauer Polizeigesetz zu wenig klar sei, um als Grundlage für die AFV dienen zu können. Für die Strassenverkehrsteilnehmer sei wegen der vagen Bestimmung nicht vorhersehbar, welche Informationen gesammelt, aufbewahrt und mit anderen Datenbanken abgeglichen würden. Zudem sei die Aufbewahrung und Vernichtung der Daten nicht ausreichend geregelt.
Kamera erfasst Kontrollschild
Bei der AFV wird das Kontrollschild mit einer Kamera erfasst. Damit wird die Identität des Fahrzeughalters ermittelt. Gespeichert werden auch Zeitpunkt, Standort, Fahrtrichtung und Fahrzeuginsassen. Diese Daten werden anschliessend mit anderen Datenbanken automatisch abgeglichen.
Aus den so erhobenen Daten lassen sich gemäss Bundesgericht Persönlichkeits- und Bewegungsprofile erstellen. Sie könnten zu einem Gefühl der Überwachung führen. Die AFV stelle somit einen schweren Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung dar, die in der Bundesverfassung garantiert werde.
Eingriffe in Grundrechte seien nur unter bestimmten Bedingungen zulässig, hält das Bundesgericht fest. Das Bundesgericht verneinte auch die Frage, ob der rechtswidrig erlangte Beweis gegen den Fahrzeuglenker verwertet werden darf. Die Verwertung richte sich nach den Bestimmungen der Strafprozessordnung. Diese sehe vor, dass rechtswidrig erhobene Beweise nur für die Aufklärung schwerer Straftaten verwendet werden dürften.
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