BundesgerichtPsychiatrie-Akten versiegelt: Dämpfer für Schaffhauser Ermittler
SDA
6.11.2020 - 12:01
In den Ermittlungen gegen einen Grossvater, der seine Enkelin missbraucht haben soll, haben die Schaffhauser Strafverfolgungsbehörden einen Dämpfer erlitten: Das Bundesgericht hat entschieden, dass die Psychiatrie-Akten versiegelt bleiben. Denn es fehlt eine gültige Entbindung vom Berufsgeheimnis.
Der Hausarzt brachte den Fall ins Rollen. Bei einem Arzttermin hatte ein Grossvater erzählt, dass er in den vergangenen zwei bis drei Jahren mehrfach seine Enkelin missbraucht habe.
Der Arzt sah es als seine Pflicht an, dies zu melden und wandte sich im Februar 2018 an die Schaffhauser Staatsanwaltschaft. Dazu war der Arzt durchaus berechtigt, denn das kantonale Gesundheitsgesetz befreit Ärzte von der Schweigepflicht, wenn es um begangene oder drohende Verbrechen gegen die sexuelle Integrität geht.
Die Ermittlungen begannen. Der Grossvater ging in eine psychiatrische Klinik, wo die Übergriffe Thema in den Sitzungen wurden. Im Juni 2019 wandte sich die Staatsanwaltschaft dann an die Stationsleiterin und wollte Einsicht in die Aufzeichnungen, welche die Klinik über den Mann erstellt hatte.
Grossvater stellte Versiegelungsantrag
Dabei ging es der Staatsanwaltschaft nicht mehr um das eigentliche Melden der Übergriffe, was ja vom Hausarzt bereits erledigt wurde, sondern um weitere Angaben zu diesen Vorfällen. Die Klinik übergab den Behörden daraufhin diese Akten – sehr zum Missfallen des Grossvaters. Er stellte ein so genanntes «Siegelungsbegehren», einen Antrag, dass seine Akten nicht verwendet werden dürfen.
Im Oktober 2019 bewilligte das Schaffhauser Kantonsgericht jedoch die Entsiegelung. Es übergab die Psychiatrieaufzeichnungen der Staatsanwaltschaft, worauf der Beschuldigte vor Bundesgericht zog. Er argumentierte, dass keine gültige Entbindung des Berufsgeheimnisses vorliege, um die Psychiatrie-Akten zu öffnen.
Diese Ansicht teilt das Bundesgericht, wie aus dem Urteil hervorgeht, das am Freitag publiziert wurde. Es fehle tatsächlich eine gültige Entbindung vom Berufsgeheimnis. Diese hätte vom zuständigen kantonalen Amt kommen müssen.
Das Schaffhauser Zwangsmassnahmengericht argumentierte, dass der stellvertretende Sekretär des Departements des Innern am 1. Juli 2019 eine entsprechende E-Mail an die Staatsanwaltschaft gesendet habe. Dies sei einer solchen Entbindung gleichzustellen.
E-Mail ohne Unterschrift gilt nicht
Das Bundesgericht kritisiert jedoch, dass diese E-Mail nicht den Vorgaben entspreche. Sie enthalte keine Unterschrift und keine Rechtsmittelbelehrung. Zudem sei dem ärztlichen Personal der Klinik und dem Grossvater kein rechtliches Gehör geschenkt worden. Die Psychiatrie-Akten aufgrund dieser E-Mail zu entsiegeln, verletze somit Bundesrecht, schreibt das Bundesgericht.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde des Grossvaters somit gut und schickt die Frage der Entsiegelung zurück nach Schaffhausen. Nun muss das Innendepartement eine gültige Entbindung vom Berufsgeheimnis nachreichen.
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