Weltkulturerbe Streit um Ausgrabungen in der St. Galler Kathedrale ist beendet

SDA

14.8.2019 - 13:35

In den 1960er-Jahren sind in der St. Galler Kathedrale Ausgrabungen durchgeführt worden. Der dafür verantwortliche Archäologe nahm die Funde und die Aufzeichnungen dazu nach Hause. Im Streit um die Herausgabe hat nun der Kanton St. Gallen eine Niederlage erlitten.

Es ist eine bereits jahrzehntelange Auseinandersetzung, zu der das Aargauer Obergericht einen Entscheid gefällt hat. Im Urteil sei die Herausgabe der Grabungsdokumentation an den Kanton St. Gallen abgelehnt worden, teilte das Departement des Innern am Mittwoch mit.

Im Zentrum des Streits steht der emeritierte Archäologieprofessor Hans Rudolf Sennhauser, der für die Ausgrabungen in der Kathedrale zwischen 1963 und 1967 verantwortlich war. Dazu hatte er Tagebücher geschrieben, Pläne und Skizzen erstellt und auch Fotos gemacht. Das ganze Material nahm der ausgewiesene Kirchenarchäologe und Bundesexperte mit und lagerte es bei sich zu Hause in Bad Zurzach (AG) im Keller. Eine Auswertung der Grabungen lieferte er nie ab. 2009 gründete Sennhauser eine Stiftung, die fortan die Funde verwaltete.

Teilerfolge vor Gericht

Es gab im Lauf der Zeit Anfragen, Gespräche, Ultimaten und Schlichtungen, die alle ergebnislos verliefen. Schliesslich wurde über den Gerichtsweg versucht, die Dokumentation der Grabungen, die Fundstücke selber oder wenigstens die Unterlagen zu erhalten, die zeigten, wo was gefunden wurde.

Die Verfahren blieben nicht ohne Wirkung. Als der Kanton St. Gallen 2013 vor dem Bezirksgericht Zurzach eine Klage einreichte, kam Bewegung in die Sache. 2014 konnten drei Tonnen Fundmaterial aus der Kathedrale, verpackt in Dutzenden von Kisten, nach St. Gallen transportiert werden. Sie lagern seither in einem Lagerhaus am Stadtrand. Zurückgegeben wurden auch wichtige digitalisierte Grabungsdokumente.

Weiterzug eher chancenlos

Mehr gibt es nun aber nicht mehr: Das Urteil des Aargauer Obergerichts befand nämlich, dass die Forderungen aus einem allfälligen Arbeitsverhältnis verjährt seien. Das Gericht verneinte, dass die Dokumentation der Ausgrabung zwingend zu den Fundstücken gehört.

Die Erfolgschancen bei einem Weiterzug dieses Urteils beurteilt der Kanton als gering. Das lange Verfahren sei damit abgeschlossen, bestätigt Katrin Meier, Leiterin des Amtes für Kultur, gegenüber Keystone-SDA. «Das meiste haben wir aber», stellt sie fest.

Was genau jetzt noch – und wohl für immer – fehlt, ist schwierig zu sagen. Grundsätzlich seien die Originale wichtig für die Forschung, erklärt Meier. Neben den offiziellen Notizen fänden sich dort auch kleine Bemerkungen, die aufschlussreich sein könnten.

Forschung kann bald beginnen

Nach dem Abschluss des Verfahrens kann aber nun in St. Gallen mit der Erforschung einer Grabung begonnen werden, die vor über 50 Jahren stattfand. Sie könnte die Wissenschaftler weit in die Vergangenheit von Kirche und Kloster führen: Möglicherweise finden sich Informationen darüber, wie die Kirchenbauten unter dem ersten Abt Otmar ausgesehen haben. Der erste Schritt sei nun aber die Planung dieser Auswertung, kündigt Meier an.

Einen Schritt weiter ist man in Basel. Dort hatte Sennhauser im Münster in den 1960er- und 1970er-Jahren zweimal Ausgrabungen geleitet. Auch Basel-Stadt musste über zwei Instanzen klagen, um an das Material zu kommen. Mit Erfolg: 2015 übergab Sennhauser die Fundstücke, 700 Pläne und 8000 Dokumente. Die Ergebnisse flossen inzwischen in ein Standardwerk zum 1000-Jahr-Jubiläum des Basler Münsters ein, das im Oktober veröffentlicht werden soll.

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