Gewalt Bezirksgericht Bülach: Unerwartete Einigung nach Auseinandersetzung

olgr, sda

12.10.2021 - 19:23

Vor Bezirksgericht Bülach stehen ein Betreibungsweibel und ein Mann: Sie waren im Zürcher Unterland bei einer Dokumentenübernahme zufällig aneinander geraten. (Symbolbild)
Vor Bezirksgericht Bülach stehen ein Betreibungsweibel und ein Mann: Sie waren im Zürcher Unterland bei einer Dokumentenübernahme zufällig aneinander geraten. (Symbolbild)
Keystone

Gewalt gegen einen Beamten, Beschimpfung sowie Körperverletzung und Tätlichkeiten: Bei der Übergabe eines Zahlungsbefehls sind ein Betreibungsweibel und ein an sich unbeteiligter Syrer aneinandergeraten. Am Dienstag standen beide vor dem Bezirksgericht Bülach – am Ende kam es überraschend zu einer Einigung.

Der Vorfall wurde in der Anklageschrift nüchtern umschrieben: Als der 45-jährige Betreibungsweibel im August 2020 an einem Freitag kurz vor 16 Uhr eine Urkunde überbringen wollte, sei es zu einer hitzigen Diskussion mit einem 31-jährigen Syrer gekommen.

Zu einer Diskussion, die «letztlich in eine tätliche Auseinandersetzung ausartete, die beim Hauseingang begann und sich dann auf die Strasse vor der Liegenschaft verlagerte».

Der Weibel habe vor dem Wochenende noch «husch-husch» einen Zahlungsbefehl zustellen wollen, hielt der Verteidiger des Syrers fest. Weil es nicht schnell vorwärtsging, sei er genervt gewesen und habe die Provokation gesucht. Der Streit sei offensichtlich vom Syrer ausgegangen, der immer aggressiver geworden sei, führte hingegen der Verteidiger des Weibels aus.

Die Eingangstür als Engpass

Der Syrer hatte dem Weibel gemäss Anklageschrift den Zutritt ins Treppenhaus verweigert. Beide sollen sich dann zunächst nacheinander die Türe mit Wucht ins Gesicht geschlagen haben.

Anschliessend kam es noch zu einem Gerangel: In dessen Verlauf soll der Schweizer den Syrer geschlagen sowie als «Drecksausländer» und «Wixxer» bezeichnet haben. Der Syrer soll mit der Faust auf den Beamten eingeschlagen haben. Beide sollen zudem ein metallenes Kickboard als Waffe verwendet haben.

Er habe mit seiner Freundin spazieren gehen wollen, sagte der Syrer auf Schweizerdeutsch. Da habe sich ein unbekannter Mann in Shorts, der sich nicht ausgewiesen haben, an ihnen vorbei ins Haus drängen wollen «Man lässt doch die Leute, vor allem eine Frau, zuerst rausgehen.» Deshalb habe er den Mann zurückgehalten – dieser habe ihn dann gleich bedroht und mit der Polizei gedroht.

Er habe dem ihm nicht bekannten Mann erklärt, dass er Betreibungsbeamter sei, und habe auf die Dokumente hingewiesen, die er einem anderen Mieter übergeben wollte, sagte der Weibel. Da sei er auch schon zurückgeschoben worden und habe kurz darauf einen Faustschlag erhalten. Da habe er die Polizei angerufen.

Beide machten geltend, dass sie den anderen in der Folge einfach zurückdrängen wollten: «Er kam auf mich zu, ich konnte sein Aggressivitätslevel nicht einschätzen», sagte etwa der Syrer.

Beide verletzt, beide beschuldigt

Der Weibel trug unter anderem eine leichte Hirnerschütterung und eine leicht blutende Wunde oberhalb des linken Auges davon, der Syrer zog sich leichte Schürfungen und Prellungen am rechten Handrücken und Unterarm zu.

Die Staatsanwaltschaft forderte für die Streithähne bedingte Strafen: Für den Syrer wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte sowie einfacher Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von 7 Monaten und eine Busse von 500 Franken; für den Weibel wegen Beschimpfung und Tätlichkeiten eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 50 Franken und eine Busse von 1000 Franken.

Einstellung in Aussicht gestellt

Die Verteidiger plädierten für ihre Mandanten auf fast vollumfängliche Freisprüche. Einzig allfällige Tätlichkeiten des Syrers räumte dessen Verteidiger ein – diese sollen aber wegen der erfolgten Provokationen des Weibels milde bestraft werden.

Nach mehr als fünfeinhalb Stunden endete der Verhandlungstag gegen 19.15 Uhr ohne Urteil und mit einer Überraschung: Der Syrer zog seine Strafanträge zurück, der Weibel erklärte sein Desinteresse an einer Strafverfolgung. Damit könnten beide Verfahren eingestellt werden, stellte der Richter in Aussicht.

Begonnen habe der Streit offenbar wegen eines Missverständnisses bei der Eingangstüre, hielt der Richter abschliessend fest. Die anschliessende Eskalation sei unbegreiflich. Beide hätten an jenem Augusttag einfach weggehen können.

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