In vielen Schweizer Städten ist es am Samstag zu Demonstrationen gegen Rassismus gekommen. Erneut gingen tausende Menschen auf die Strasse, um friedfertig ihre Meinung kundzutun. Proteste gab es etwa in Zürich, Bern, Luzern und St. Gallen.
In Zürich demonstrierten weit über 10'000 Menschen, wie die Stadtpolizei auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte. Die vorwiegend jungen Teilnehmer zogen mit dem Segen der Polizei quer durch die Innenstadt. Die fast ausnahmslos schwarz gekleideten Demonstranten besammelten sich vor 14 Uhr auf dem Sechseläutenplatz. Sie hielten Schilder in die Höhe mit Aufschriften wie «White silence is violence» oder «Black lives matter».
Die Polizei forderte die Anwesenden mehrmals freundlich auf, auf die «Veranstaltung zu verzichten». Diese sei gemäss der Covid-Verordnung des Bundesrates verboten. Die Polizei drückte gleichzeitig Verständnis aus für das Anliegen der Demonstrierenden. Gegen 14.15 Uhr lenkte die Polizei dann ein. Die Demonstration würde toleriert, sofern sie friedlich bleibe. Für den Umzug sei eine Route abgesteckt und gesichert worden.
Der schwarz gekleidete Demonstrationszug bewegte sich sodann skandierend über die Quaibrücke zum Bürkliplatz und in die Bahnhofstrasse. Gegen 15 Uhr erreichten die Demonstrierenden den Paradeplatz und zogen weiter.
Der Umzug verlief friedlich, wie ein Reporter von Keystone-SDA vor Ort beobachten konnte. Ihr Anliegen taten die grösstenteils weissen Teilnehmer allerdings mit Nachdruck kund. Mehrmals knieten sich die Demonstrierenden hin, um an den durch die Polizei verursachten Tod des Afroamerikaners George Floyd am 25. Mai in Minneapolis zu erinnern.
Nach der Demonstration kam es gegen 16 Uhr auf dem Stadelhoferplatz zu Ausschreitungen durch Linksautonome gegen die Polizei. Diese waren am Umzug mitmarschiert und versuchten nach dessen Ende eine zweite Demonstration zu starten, wie die Polizei mitteilte. Mit der Organisation der BLM-Demo hatten sie nichts zu tun.
Als Polizisten einschritten, wurden sie von den Linksautonomen mit Gegenständen beworfen. Daraufhin wurden mehrere Personen verhaftet, wie die Stadtpolizei Zürich twitterte.
Toleranz in Bern
In Bern nahmen schätzungsweise 4000 Menschen auf dem Bundesplatz an einer unbewilligten Kundgebung gegen Rassismus teil. Die Polizei liess trotz des Verbots von Versammlungen von über 300 Personen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gewähren.
Die meisten Besucher folgten einem Aufruf der Organisatoren und erschienen schwarz gekleidet zur Kundgebung. Immer wieder wurde «Black lives matter» skandiert, also «Auch das Leben von Schwarzen zählt». Viele Kundgebungsteilnehmer trugen Masken. Zu sehen waren Schilder wie etwa «Auch Ignoranz ist ein Virus» und «Wir alle bluten dasselbe Blut».
Die Kundgebungsteilnehmer liessen sich auch vom Gewitter nicht abhalten, das um etwa 15.30 Uhr den Bundesplatz erreichte. Als die letzten Redebeiträge vorbei waren, spielten die Organisatoren Musik und diejenigen Personen, die nicht vor dem Regen geflohen waren, begannen zu tanzen. Auch in der Umgebung des Bundesplatzes kam es – an vom Regen geschützten Orten – zu partyähnlichen Szenen. Wegen der Kundgebung kam es zu Umleitungen im öffentlichen Verkehr.
Auf Anfrage sagte Isabelle Wüthrich von der Medienstelle der Berner Kantonspolizei, die Behörden der Stadt Bern und die Polizei hätten gemeinsam beschlossen, die Kundgebung zu tolerieren. Die Kundgebung aufzulösen hätte die Gefahr von Ausschreitungen bedeutet. Auch wäre das Risiko von Ansteckungen höher gewesen. Zu Anhaltungen kam es nicht.
Rassismus auch in der Schweiz
In Luzern demonstrierten am Nachmittag mehrere Hundert Personen für die Überwindung des Rassismus. Diesen gebe es nicht nur in den USA, sondern auch in der Schweiz. Die bewilligte Kundgebung führte vom Bahnhof durch die Neustadt zum Helvetiagärtli und wieder zurück.
Hier liess die Polizei wegen der Corona-Massnahmen maximal 300 Personen zu. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mussten bei der Versammlung den Organisatoren ihre Kontaktangaben hinterlassen und wurden gezählt. Viele schlossen sich aber auch frei dem Umzug an. Die meisten Kundgebungsteilnehmerinnen und -teilnehmer waren jung, schwarz gekleidet und mit Mundschutz ausgerüstet. An der Kundgebung wurde kritisiert, dass Rassismus zu oft toleriert und dass nicht darüber gesprochen werde. Er sei im Alltag vorhanden.
In St. Gallen gingen nach Angaben der Stadtpolizei St. Gallen etwa 1100 Menschen auf die Strasse. Die meist jungen Kundgebungs-Teilnehmer versammelten sich am frühen Nachmittag auf dem Bärenplatz. Eine junge dunkelhäutige Frau verlas die letzten Sätze Floyds, die auf Video festgehalten sind. Der friedliche Demonstrationszug zog durch die Stadt und versammelte sich zum Schluss im Kantipark.
In Lausanne gingen rund 1000 Personen bei einer bewilligten Kundgebung auf die Strasse. Im Genf waren es am Dienstag, am Tag der Beisetzung Floyds, 10'000 gewesen.
Gemäss den Vorgaben des Bundes gegen die Ausbreitung des Coronavirus sind nur Kundgebungen mit bis zu 300 Personen erlaubt. Es ist in der Schweiz schon die zweite Woche in Folge mit Kundgebungen gegen Polizeigewalt und Rassismus.
Bereits am letzten Wochenende hatten in der Schweiz Tausende gegen Rassismus demonstriert.
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