Toter Mann im TramSo reagierst du richtig, wenn du eine Person leblos antriffst
Von Lukas Meyer
25.6.2021
Ein 64-Jähriger ist in Zürich auf dem Weg zur Arbeit im Tram verstorben. Bis das jemandem auffiel, dauerte es sechs Stunden. Wie kann das passieren? Worauf sollte man im öffentlichen Raum achten?
Von Lukas Meyer
25.06.2021, 13:42
Lukas Meyer
Ein 64-Jähriger ist am Montag in einem Tram der Linie 2 in Zürich verstorben. Er habe einen Herzstillstand erlitten, sagte sein Sohn zu «20 Minuten». Um 6:21 sei sein Vater bei der Station Micafil in Altstetten eingestiegen, um zur Arbeit an den Paradeplatz zu fahren. Videoaufnahmen zeigen, dass er kurz vor der Station Lochergut – rund zehn Minuten später – zusammensackte.
Leblos fuhr er noch bis zum Mittag durch die Stadt: Erst sechs Stunden später fiel einer Passagierin an der Endhaltestelle Tiefenbrunnen auf, dass etwas nicht stimmte. Die Verkehrsbetriebe Zürich haben danach unverzüglich Sanität und Polizei aufgeboten. Diese schliesst eine Dritteinwirkung aus.
Gelegenheit, um innezuhalten
Der Sohn des Toten ist «fassungslos und traurig», wie er «20 Minuten» weiter sagte: «Zivilcourage ist leider nicht mehr alltäglich.» Die Leute würden ihre Umwelt kaum mehr wahrnehmen. Zusammen mit seiner Schwester will er nun auf die Problematik aufmerksam machen.
Tanja Walliser vom Projekt «Empathie Stadt Zürich» warnt im Gespräch mit «20 Minuten» davor, mit dem Finger auf jemanden zu zeigen: «Verschiedene Gründe führen dazu, dass wir in solchen Situationen wegschauen: Stress, Überforderung oder Angst.» Dieser Vorfall sei eine Gelegenheit, um innezuhalten und sich zu fragen, wann man selber nicht so präsent und empathisch gewesen sei.
Doch wie kann so etwas passieren? «Wir verstehen, dass ein solcher Vorfall irritiert und unglaublich erscheint», sagt Michael Schumann, Präsident der Vereinigung Rettungssanitäter Schweiz (VRS), auf Anfrage von «blue News». «Ganz offenbar war die Lage des toten Körpers im Tram aber so, dass es nicht unmittelbar aufgefallen ist, dass die Person bewusstlos ist.» Über andere Gründe, warum dies niemandem aufgefallen ist, könne man nur spekulieren.
Person ansprechen und Notruf alarmieren
Und wie soll man reagieren, wenn man den Eindruck hat, dass eine Person Hilfe benötigt? «Besteht ein derartiger Verdacht, die Person am besten ansprechen», so Schumann. Wenn die Person nicht weckbar und bewusstlos ist, sollte man sofort den Rettungsdienst über die Notrufnummer 144 alarmieren.
Wenn die Person nicht atmet, soll man umgehend mit Herzdruckmassage und allenfalls mit Beatmung beginnen. Dies soll man so lange fortführen, bis der Rettungsdienst eintrifft oder der Patient Lebenszeichen von sich gibt.
Ist die Person ansprechbar, kann mit gezielten und direkten Fragen versucht werden, herauszufinden, ob medizinische Hilfe benötigt wird – zum Beispiel: «Benötigen Sie Hilfe?», «Haben Sie Schmerzen?», «Können Sie gut atmen?». Dabei sollte man stets auf den Selbstschutz achten und im Zweifelsfall immer den Rettungsdienst alarmieren – oder bei nicht-medizinischen Problemen die Polizei.