Kriminalität VBZ-Kontrolleur und Schwarzfahrer versöhnen sich vor Obergericht

leph, sda

8.7.2022 - 15:14

Die Haltestelle Bahnhof Wipkingen: Nach einer Billettkontrolle kam es hier zu einer Auseinandersetzung zwischen einem Passagier und VBZ-Kontrolleuren. (Archivbild)
Die Haltestelle Bahnhof Wipkingen: Nach einer Billettkontrolle kam es hier zu einer Auseinandersetzung zwischen einem Passagier und VBZ-Kontrolleuren. (Archivbild)
Keystone

Ein Schwarzfahrer und ein Billettkontrolleur, die 2018 aufeinander losgegangen sind, trafen sich am Freitag vor dem Zürcher Obergericht wieder und zeigten sich reuig. Beide zogen ihre Strafanträge zurück. Wenig versöhnlich zeigte sich der Staatsanwalt – er will beide ins Gefängnis schicken.

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Das Obergericht verhandelte am Freitag einen Vorfall, der sich im Juli 2018 in der Stadt Zürich abspielte. Kontrolleure der Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) erwischten in einem Bus einen jungen Mann ohne Billett und stiegen mit ihm bei der Haltestelle Bahnhof Wipkingen aus.

Nachdem sie seine Personalien erfasst hatten, eskalierte die Situation: Der Schwarzfahrer beschimpfte die VBZ-Angestellten als «Scheiss-Kontrolleure» und soll einen von ihnen ins Gesicht geschlagen haben.

Seine Kollegen eilten ihm zu Hilfe und brachten den Angreifer zu Boden. Während sie ihn festhielten, soll ihm der zuvor geschlagene Kontrolleur mit Anlauf in den Kopf getreten haben.

Handschlag vor der Verhandlung

Die beiden Hauptbeteiligten zeigten sich vor Gericht versöhnlich und reichten sich bereits vor der Verhandlung die Hand.

«Ich habe meine Strafanträge zurückgezogen», sagte der frühere VBZ-Kontrolleur, ein heute 49-jähriger Schweizer. «Ich will dem jungen Mann, der demnächst Vater wird, nicht im Weg stehen.» Dieser hat seine Strafanträge gegen die beteiligten Kontrolleure ebenfalls zurückgezogen.

Aus der Welt geschafft war die Sache damit aber nicht. Die Staatsanwaltschaft wertete den angeblichen Fusstritt gegen den Kopf des Schwarzfahrers als versuchte schwere Körperverletzung.

Dem Schwarzfahrer wiederum wurde Drohung und Gewalt gegen Beamte vorgeworfen. Beides sind Delikte, die von Amtes wegen verfolgt werden müssen, auch wenn die Beteiligten ihre Strafanträge zurückziehen.

Das Bezirksgericht Zürich verurteilte den ehemaligen Kontrolleur zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten auf Bewährung.

Sein Verteidiger beantragte vor Obergericht einen Freispruch oder zumindest eine mildere Strafe. Der Vorfall könne sich gar nicht so zugetragen haben, wie er in der Anklage geschildert werde. Der von den anderen Kontrolleuren festgehaltene Schwarzfahrer habe unter einer Sitzbank gelegen. Es sei gar nicht möglich gewesen, ihn dort mit einem Fusstritt am Kopf zu treffen.

Auch ein rechtsmedizinisches Gutachten zu den Verletzungen könne nicht belegen, dass die an der Stirn vorhandenen Schürfungen und Hämatome tatsächlich auf einen Fusstritt zurückzuführen seien. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft basiere einzig und allein auf den Aussagen des angeblichen Opfers – welches unter starken Medikamenteneinfluss stand.

Schwarzfahrer hat Entzug gemacht

Der damalige Schwarzfahrer betonte vor Gericht, wie leid ihm alles tue. Genaue Erinnerungen an den Vorfall habe er, unter anderem wegen des Drogenkonsums, keine. Bei einem stationären Entzug Ende 2019 habe er seine Sucht in den Griff bekommen.

Heute sei er ein anderer Mensch. Er habe sich eine Existenz als Tauchlehrer und Gastgeber in einer nordafrikanischen Touristendestination aufgebaut. Und tatsächlich werde er wahrscheinlich genau während der Gerichtsverhandlung Vater. «Wir waren schon die ganze Nacht im Spital.»

Er wolle alles dafür tun, um seinem Kind ein guter Vater zu sein. Dem im Weg steht aber die Freiheitsstrafe von 14 Monaten ohne Bewährung, welche das Bezirksgericht Zürich im Dezember 2020 wegen des Vorfalls gegen ihn aussprach. Er erhielt keine Bewährung, weil er bereits vorbestraft war, und sich der Vorfall in Wipkingen während der Probezeit ereignete.

Sein Verteidiger forderte keinen vollumfänglichen Freispruch, sondern wollte lediglich erreichen, dass der 25-Jährige nicht ins Gefängnis muss. Er soll stattdessen eine Geldstrafe in der Höhe von 175 Tagessätzen à 30 Franken erhalten, deren Vollzug aufgeschoben wird.

In den groben Zügen am Urteil der Vorinstanz festhalten wollte die Staatsanwaltschaft. Mit einem gewichtigen Unterschied: Der ehemalige Kontrolleur soll nicht nur 24 Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung erhalten, sondern zusätzlich acht Monate tatsächlich absitzen müssen.

Der zuständige Staatsanwalt hat am Nachmittag sein Plädoyer begonnen. Ob das Gericht das Urteil noch am Freitag eröffnen wird, steht noch nicht fest.