Prozess in WinterthurPolizistin umgefahren: Autodieb soll in «kleine Verwahrung»
SDA, gbi
1.2.2022 - 12:12
Ein 22-jähriger Mann, der 2019 in Winterthur eine Polizistin überfahren und lebensgefährlich verletzt hatte, zeigt sich vor Gericht reumütig. Ein Gutachten empfiehlt, ihn wegen Schizophrenie stationär zu behandeln.
SDA, gbi
01.02.2022, 12:12
01.02.2022, 13:18
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Ein junger Mann, der 2019 in Winterthur eine Polizistin überfuhr und lebensgefährlich verletzt hat, leidet unter Schizophrenie. Der Gutachter empfiehlt deshalb eine stationäre Massnahme nach Artikel 59, auch «kleine Verwahrung» genannt. Der Beschuldigte musste sich am Dienstag vor dem Bezirksgericht Winterthur verantworten.
Gemäss einem Gutachten löste die psychische Krankheit eine Wesensveränderung bei dem heute 22-jährigen Schweizer aus. Seine Fähigkeit zur Selbstkritik bröckelte immer mehr. Er entfernte sich von gängigen Wertvorstellungen und wurde zunehmend enthemmter.
Auch heute noch hört der Beschuldigte «kommentierende Stimmen» in seinem Kopf. Was diese sagen oder befehlen, wollte er vor Gericht aber nicht sagen. Auch dazu, ob er zum Tatzeitpunkt vor zwei Jahren solche Stimmen hörte, äusserte er sich nicht.
Ein Gutachten attestiert ihm wegen seiner Schizophrenie eine schlechte Prognose. Um das Risiko für künftige Straftaten zu verringern, solle er eine stationäre Massnahme nach Artikel 59 antreten, umgangssprachlich auch «kleine Verwahrung» genannt. Dort könne seine Schizophrenie therapiert werden.
Eine Massnahme für junge Erwachsene, wie es die Anwältin fordert, hält der Gutachter für nicht zielführend. Er müsse nicht lernen zu arbeiten oder sich einzuordnen.
Mit 260 Stundenkilometer Richtung Chur gerast – und wieder retour
Viel reden mochte der Beschuldigte vor Gericht – offensichtlich auf Anraten seiner Verteidigerin – nicht. Zur Tat gab er keinerlei Kommentar ab. Es ist aber gesichert, dass er am 13. Oktober 2019 in Neftenbach bei Winterthur einen schwarzen BMW 750 aus einer Garage stahl.
Mit bis zu 260 Stundenkilometer raste er bis fast nach Chur, wendete und kehrte nach Winterthur zurück. Dort erwartete ihn die Polizei mit einer Strassensperre. Als er merkte, dass Polizistinnen und Polizisten ihre Waffen auf ihn richteten, lenkte er den Wagen aufs Trottoir, beschleunigte und fuhr mit voller Wucht in die Polizistin.
Die damals 39-Jährige wurde mehrere Meter durch die Luft geschleudert, prallte auf dem Asphalt auf und erlitt lebensgefährliche Verletzungen. Unter anderem erlitt sie einen Lungenkollaps und eine Verletzung der Halsschlagader mit Embolien.
Die Polizistin leidet noch heute unter den Folgen. Sie kann zwar wieder arbeiten, bis auf Weiteres aber nur im Innendienst. Der Prozess wird am Nachmittag fortgesetzt. Die Urteilseröffnung findet am 8. März statt.
Beschuldigter gibt sich reumütig
«Ich würde gerne alles rückgängig machen und wünsche mir, dass es ihr bald wieder gutgeht», hält der Angeklagte in einer vorbereiteten Erklärung fest. Er habe die Polizistin nicht mit dem Auto erfassen wollen, aber unüberlegt gehandelt – das sei falsch und gefährlich gewesen.
Der Schweizer lebt aktuell in einer geschlossenen Massnahmenstation in der psychiatrischen Klinik Rheinau. Dort wird er wegen seiner Schizophrenie behandelt. «Ich weiss heute, dass ich Medikamente brauche. Es geht mir viel besser.»
Der Beschuldigte konsumierte seit dem Alter von 14 Jahren Drogen, zuerst Cannabis, dann auch LSD und Kokain, was bei ihm immer wieder Psychosen auslöste und auch schon früher Klinikaufenthalte nötig machte. Sein Leben habe plötzlich eine andere Richtung genommen, was er selber aber nicht gemerkt habe, erklärte er.