Bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Der Zürcher Kantonsrat hat am Montag in erster Lesung die Grundlagen diskutiert, innerhalb derer Gemeinden freiwillig Tagesschulen aufbauen und betreiben können. SVP und AL lehnen die Änderungen des Volksschulgesetzes ab - aus völlig gegensätzlichen Gründen.
Der SVP gehen die neuen Formulierungen zu weit. Tagesschulen seien ein zu grosser Eingriff in das Leben einer Familie, kritisierte die Partei. Die AL dagegen möchte die Tagesschulen lieber noch klarer im Gesetz definieren. Sie sprach von einem "Tagesschulschwindel", von einer Struktur, die ihren Namen nicht verdiene.
Die Meinungen zu den verschiedenen Gesetzesänderungen gingen dann bisweilen auch weit auseinander. Im Grundsatz waren sich ausser der SVP aber alle Fraktionen einig, dass das Volksschulgesetz den gesellschaftlichen Veränderungen angepasst und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Kanton verbessert werden müssten.
"Wir haben den Handlungsspielraum für die Schulbehörden bewusst weit offen gelassen", sagte die Präsidentin der Kommission für Bildung und Kultur, Jacqueline Peter (SP, Zürich). Den Bedürfnissen der Gemeinden werde mit den neuen Formulierungen gut Rechnung getragen. Die Schlussabstimmung zum Gesetz findet in vier Wochen statt.
Tagesschulen weiterhin freiwillig
Bis jetzt war das Thema Tagesstrukturen im Zürcher Volksschulgesetz (VSG) nur in allgemeiner Form unter "Unterrichtszeit" aufgegriffen. Neu sind nun die Rahmenbedingungen genau formuliert, unter welchen die Gemeinden auf sie zugeschnittene Modelle anbieten können.
"Was wir hier machen, ist nichts Radikales, keine Pionierarbeit", sagte Sylvie Matter (SP, Zürich). "Wir definieren die Tagesschule als mögliches Angebot." Es gehe um ein schlankes Gesetz, das die Rahmenbedingungen festlegt, betonte auch Christoph Ziegler (GLP, Elgg). "Besser eine Tagesschule light als gar keine."
Es mache Sinn, ein solches Projekt nicht einfach über den ganzen Kanton auszurollen, sagte auch Hanspeter Hugentobler (EVP, Wädenswil) und verwies auf den grossen Gestaltungsspielraum für die Gemeinden. "Es macht Sinn, Tagesschulen zu ermöglichen statt sie zu verordnen", sagte auch Corinne Thomet (CVP, Kloten).
Denn auch mit dem überarbeiteten Gesetz bleibt der Besuch von Tagesschulen in jedem Fall freiwillig. Die Gemeinden können aber gewisse Betreuungsangebote an ihrer Tagesschule für obligatorisch erklären - etwa dass die Schülerinnen und Schüler über Mittag in der Schule essen müssen.
In diesem Fall darf die Gemeinde die Mittagspause verkürzen - was bis heute nur mit Spezialbewilligung geht. Erklärt eine Gemeinde an ihrer Tagesschule gewisse Angebote für obligatorisch, muss sie sicherstellen, dass ein Schulbesuch ohne obligatorische Betreuung an einer anderen Schule möglich bleibt.
Über den eigenen Mut gestolpert
Bei kleineren Gemeinden ist es deshalb möglich, dass Kinder, welche die Tagesschule nicht besuchen möchten, in eine andere Gemeinde zur Schule müssen. "Das kann doch nicht sein", sagte Matthias Hauser (SVP, Hüntwangen). Das sei eine Scheinfreiwilligkeit. Damit werde doch eine obligatorische Mittagsbetreuung eingeführt.
Und die AL warf der Bildungsdirektion und der zuständigen Kommission vor, "über den eigenen Mut gestolpert" zu sein. Eine Tagesschule ohne obligatorische Mittagsbetreuung ist keine Tagesschule", sagte Judith Stofer (Zürich). Mit dieser Vorlage werde zusätzlich Unruhe gestiftet, zeigte sie sich überzeugt.
Chancenlos blieben schliesslich auch ihre Anträge, die etwa "angemessene Mittagspausen von mindestens zwei Stunden" oder einkommensabhängige Beiträge für den Besuch von Tagesstrukturen ausserhalb der Blockzeiten forderten.
"Wir wollen bewusst nicht in die Familienmodelle eingreifen", betonte Bildungsdirektorin Silvia Steiner (CVP). Aber immer mehr Eltern würden ihre Kinder ausserhalb der Familie betreuen lassen. "Darauf müssen wir eingehen." Der Besuch einer Tagesschule bliebe aber weiterhin freiwillig, die Gemeinden erhielten einfach mehr Gestaltungsspielraum.
Zurück zur Startseite