Behandlungsfehler Zürcher Obergericht: Osteopath soll Schlaganfall ausgelöst haben

SDA

14.11.2019 - 11:02

Vor dem Zürcher Obergericht hat sich am heutigen Donnerstag ein Osteopath zu verantworten, der bei einer Patientin einen Schlaganfall ausgelöst haben soll. Trotz Sprechstörungen und Lähmungen bot ihr der Therapeut bloss Kaugummi an. In erster Instanz wurde er wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung und unterlassener Nothilfe verurteilt.

Für die Vorinstanz, das Bezirksgericht Hinwil, war klar, dass der heute 39-Jährige die Frau im Dezember 2014 nicht hätte behandeln dürfen. Dies hätte er angesichts der Symptome erkennen müssen. Zudem habe er es unterlassen, die Ambulanz zu rufen.

Es verurteilte den Belgier im März diesen Jahres zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 14 Monaten. Mit dieser Verurteilung folgte es den Anträgen der Staatsanwaltschaft. Er selber streitet jegliche Schuld ab, weshalb der Fall nun vor Obergericht kommt.

Gerinnsel löste sich

Die Frau war laut Anklageschrift mit starken Verspannungen im Schulterbereich zum Osteopathen gekommen. Anfang und Mitte Dezember 2014 hatte sie bereits zwei Behandlungen. Beim dritten Termin am 23. Dezember kam es dann zum lebensgefährlichen Vorfall.

Wie aus der Urteilsbegründung des Bezirksgerichts Hinwil hervorgeht, klagte die Frau an jenem Tag über Kopfschmerzen und Schwindel und hatte Probleme, den Kopf aufrecht zu halten. Dies hätte der Therapeut als Hinweis auf eine Durchblutungsstörung erkennen müssen.

Er hätte die Patientin nicht behandeln dürfen – nötig gewesen wären hingegen dringend ärztliche Abklärungen. Trotzdem führte er die Behandlung durch. Später stellte sich heraus, dass in ihren Wirbelarterien vermutlich schon vor dem 23. Dezember ein Riss der inneren Gefässwände entstanden war. Dadurch kam es zu einem Thrombus, also einem Blutgerinnsel.

Dieses löste sich laut Gutachten «mit grösster Wahrscheinlichkeit anlässlich der Behandlung vom 23. Dezember». Es kam zu einem Verschluss der Arterie und damit zu einer Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff. Die Frau erlitt einen Schlaganfall mit Sprechschwierigkeiten, Übelkeit und Lähmungsgefühlen.

Eine Ambulanz rief der Osteopath jedoch nicht. Stattdessen bot er der Frau bloss einen Kaugummi an. Er rief ihren Ehemann an, der laut Anklage verlangte, dass der Therapeut sofort die Ambulanz rufe. Schliesslich habe es der Ehemann jedoch selber tun müssen.

Drei Mal durch Prüfung gefallen

Der Verteidiger des Therapeuten argumentiert, dass es nicht nachgewiesen sei, dass der Schlaganfall durch einen Behandlungs-Verzicht hätte vermieden werden können.

Es sei zudem möglich, dass die Symptome erst eingetreten seien, nachdem der Ehemann angekündigt habe, er alarmiere die Ambulanz. Damit sei ein Anruf des Osteopathen nicht mehr nötig gewesen.

Mangelndes Fachwissen könne man dem Beschuldigten auch nicht vorwerfen. Er habe in Belgien eine fünfjährige Ausbildung zum diplomierten Osteopathen abgeschlossen und sich weitergebildet. In der Schweiz fiel er laut Gutachter allerdings dreimal durch die interkantonale Osteopathie-Prüfung.

Der Therapeut praktiziert nach wie vor in einer eigenen Praxis. Im Kanton Zürich braucht es für Tätigkeiten im Bereich nichtärztlicher Alternativ- und Komplementärmedizin keine Bewilligung. Eine Zulassungsbewilligung braucht es nur für das Führen eines bestimmten Titels.

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