Nikola Jokic ist so etwas wie die Antithese zur Glamour-Welt der NBA: Spektakel ist dem MVP der Denver Nuggets fremd, als Werbeträger taugt er nicht. Dennoch ist der Serbe der Schlüssel zum Titel.
Das Schicksal schlug schon 2014 zu. Als die Nummer 41 des Drafts verkündet wurde, lief im amerikanischen Fernsehen gerade Werbung – für eine Fast-Food-Kette für Burritos. Nikola Jokic wurde so der erste grosse Auftritt im TV verwehrt. Die zufällige Episode steht symptomatisch für den derzeit vielleicht besten Basketball-Spieler des Planeten.
In den letzten beiden Saisons wurde Jokic zum MVP gewählt, dennoch ziert der 28-Jährige aus Sombor in der nordwestlichsten Ecke Serbiens keine Corn-Flakes-Schachteln, im amerikanischen Fernsehen wirbt keine einzige Firma mit ihm und sein Schuhausrüster Nike verkauft keine Treter mit seinem Namen. Mit Jokic lässt sich nichts vermarkten, dabei ist er ein brillanter Spieler. Aber er ist weder elegant noch eloquent, seine Nase läuft in den klimatisierten Arenen und unter Anstrengung rot an und wenn er sich übers Parkett bewegt, wirkt das ziemlich hölzern.
Trotz Lobeshymnen nie ein Megastar
«Es ist jedem egal, ob er Champion wird, weil keiner Lust hat, ihm zuzuschauen», lautet das geradezu bösartige Urteil von Gilbert Arenas, einem ehemaligen Spieler, der zum Experten wurde. «Er spielt super toll, aber es reisst keinen von den Sitzen. Deshalb wird er nie ein Megastar sein.» Wenn es nur nach den Leistungen gehen würde, müsste er das längst sein. Auch bei der 108:111-Niederlage im zweiten Finalspiel gegen Miami überragte Jokic mit 41 Punkten alle; der Nächstbeste war Miamis Gabe Vincent mit 23 Punkten.
Seine Gegenspieler sehen es denn auch ganz anders als Arenas, immerhin verlieren sie ja oft genug genau wegen Jokic gegen die Nuggets. «Jokic wird als einer der grössten Center in die Geschichte eingehen», prophezeit beispielsweise der je zweifache NBA-Champion und Final-MVP Kevin Durant. «Ich weiss, wie genial er ist», schwärmt auch LeBron James, der mit seinen Los Angeles Lakers im Halbfinal gegen Denver ausschied. «Du bist immer aus dem Gleichgewicht, wenn du gegen ihn verteidigen musst. Er sieht das Spiel schneller als jeder andere. Solche Spieler gibt es nur ganz selten.» Der legendäre Magic Johnson stimmt in die Lobeshymnen ein: «Der 'Joker' ist gerade daran, das Spiel vor unseren Augen zu verändern. Wie einst Michael (Jordan), Larry (Bird), LeBron (James), Steph (Curry), Kobe (Bryant), Kareem (Abdul-Jabbar) und Shaq (O'Neal).» Ein grösseres Lob kann es eigentlich gar nicht geben.
Jokic selber scheint es im Übrigen kaum zu kümmern, dass er mit seiner wenig eleganten Art als «unvermarktbar» gilt. «Ich aus dem Gleichgewicht? Das bin ich schon mein ganzes Leben», meinte er kürzlich voller Selbstironie. «Das ist für mich normal.» Nicht normal war in den letzten Jahren allerdings Erfolg in den Playoffs. Erst jetzt schaffen es die Denver Nuggets, auch in der entscheidenden Phase der Saison ihre Stärke auszuspielen. Im Final gegen die Miami Heat ist beim Stand von 1:1 der erste Titel der Geschichte greifbar.
Der Stolz Serbiens
Werbeverträge hin oder her, TV-Präsenz erhält Nikola Jokic mittlerweile genügend. Zumindest in seiner Heimat Serbien ist er auch längst ein Megastar. «Der Stolz Serbiens», wie es Tennis-Champion Novak Djokovic beschreibt. «Und noch dazu äusserst bescheiden.»
Das dürfte sich auch mit noch mehr Erfolg nicht ändern. «Der Erfolg, das Geld, die Berühmtheit, all das hat ihn kein bisschen verändert», versichert Denvers Coach Michael Malone. «Das ist rar in diesem Geschäft.» Auch deshalb ist Nikola Jokic alles andere als der typische NBA-Star.