Legendenstatus hat Urs Fischer in Berlin schon lange. Mit dem Gewinn eines Titels würde sich der Zürcher in der deutschen Hauptstadt unsterblich machen. Heute hat er die Chance, mit Union Berlin das Pokalfinal zu erreichen. Dafür braucht es laut Fischer aber «eine kleine Sensation».
Urs Fischer wäre nicht Urs Fischer, wenn er sich nicht auch vor dem vielleicht wichtigsten Saisonspiel absolut bescheiden geben würde. «Wir brauchen ein optimales Spiel, um für eine Überraschung zu sorgen», sagt er vor dem Pokal-Halbfinal gegen Leipzig. Für ein Weiterkommen brauche Union schon «eine kleine Sensation».
Dabei strotzen die Eisernen nur so vor Selbstvertrauen. Die letzten drei Spiele konnten allesamt gewonnen werden. Am Wochenende gab es gegen Frankfurt, das nur wenige Tage zuvor Barcelona im Camp Nou aus der Europa League schoss, einen 2:0-Sieg.
Union Berlin, vor der Saison durchaus auch als Abstiegskandidat gehandelt, steht in der Bundesliga vier Spieltage vor Schluss auf Rang 6 und damit auf einem Europacup-Platz. Selbst die Champions-League-Plätze sind nur fünf Punkte entfernt. Die letzten beiden Direktduelle gegen Leipzig konnten die Berliner für sich entscheiden. Und im Final wartet mit dem SC Freiburg eine weitere Mannschaft, die völlig unerwartet das Endspiel erreichen konnte.
Es gibt viele Gründe, weshalb Union Berlin am Mittwochabend mit breiter Brust ins Pokal-Halbfinal gehen kann. Doch Urs Fischer streicht lieber die Stärken des Gegners heraus. «Leipzig hat zuletzt in Leverkusen, Bergamo und Dortmund und zu Hause gegen Hoffenheim gewonnen. Sie sind gut unterwegs und stabil. Sie verfügen über individuelle Qualität und sehr viel Speed», sagt der Schweizer am Ostermontag an der Pressekonferenz.
Und kritisiert die eigene Mannschaft sogar für die zu passive zweite Halbzeit gegen Frankfurt. «In Leipzig musst du über 90 Minuten spielen, wie wir es in der ersten Hälfte gemacht haben.» Nichtsdestotrotz ist der Glaube an die «kleine Sensation» da. Fischer verrät, dass im Vorfeld des «Highlight-Spiels» auch Penaltyschiessen trainiert wird.
Urs Fischer, der «beste Trainer der Bundesliga»
Motivieren braucht der grossartige Motivator seine Mannschaft ohnehin nicht. Union winkt das erste Pokalfinal seit 2001 und das zweite der Vereinsgeschichte. Gewinnen konnten die Berliner die prestigeträchtige Trophäe noch nie. Der einzige Titel in der Vereinsgeschichte geht zurück in die DDR-Zeit: 1968 holte Union Berlin den FDGB-Pokal – das war damals sozusagen der DFB-Pokal Ostdeutschlands.
Feiern konnten die Union-Fans in den letzten Jahren dennoch viel. Nach dem Aufstieg in die Bundesliga 2019 haben die Berliner jetzt zum dritten Mal den Klassenerhalt geschafft. In dieser Saison konnte Union sogar nach 20 Jahren wieder im Europacup spielen. Was Urs Fischer in seinen bislang vier Jahren bei Union erreicht hat, ist jetzt schon sensationell. Die «Berliner Zeitung» adelte den Ex-FCB-Coach kürzlich als «besten Trainer der Bundesliga».
Folgt bald der nächste Karriereschritt?
Jetzt noch einen Titel zu gewinnen, wäre die Kirsche auf der Torte. Und schon ein verfrühtes Abschiedsgeschenk? Fischers Vertrag in Berlin läuft nur noch bis 2023. Dass die Vereinsführung gerne mit dem 56-Jährigen verlängern würde, ist selbsterklärend. Klar dürfte aber auch sein, dass der eine oder andere grössere Klub beim Schweizer anklopft.
Fischer mag jedenfalls noch nicht über seine Vertragssituation sprechen. «Wir sind in einer Phase, da geht es für uns um sehr viel. Da ist die Zukunft des Trainers nicht entscheidend. Ausserdem habe ich noch ein Jahr lang Vertrag», sagt er der «Sport Bild».
Die Arbeit mache ihm nach wie vor «sehr viel Spass», beruhigt Fischer die Union-Fans aber und sagt, dass er beim letzten Mal ja auch erst ein halbes Jahr vor dem Ende seines Vertrages verlängert hatte. «Etwas Aussergewöhnliches» sei es, was er und Union Berlin bislang geleistet haben. «Und wenn ich daran denke, dass ich im Sommer in mein fünftes Jahr gehe, das muss man sich erst einmal vorstellen, das ist ebenfalls etwas Aussergewöhnliches.»