«Aussichtsloses Rattenrennen» Fussballfans kritisieren Milliarden-Deal im deutschen Profifussball

Von Eric Dobias und Jörg Soldwisch, dpa

11.12.2023 - 23:09

Bundesliga-Vereine geben grünes Licht für Investor-Einstieg

Bundesliga-Vereine geben grünes Licht für Investor-Einstieg

Die 36 Vereine der ersten und der zweiten Bundesliga haben – Protesten zum Trotz – grünes Licht für den möglichen Einstieg eines Finanzinvestors in die Vermarktung ihrer Fussballspiele gegeben.

11.12.2023

Im zweiten Anlauf innerhalb von sieben Monaten haben die 36 Profivereine für den Einstieg eines externen Investors bei der Deutschen Fussball Liga gestimmt. Die Fans reagieren mit Kritik.

DPA, Von Eric Dobias und Jörg Soldwisch, dpa

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Der Weg für den Milliarden-Deal der Deutschen Fussball Liga (DFL) ist frei.
  • Bei einer Abstimmung der 36 Profiklubs aus Bundesliga und 2. Liga im «Sheraton» am Frankfurter Flughafen stimmten 24 Vereine dafür. Das ist exakt die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit. Zehn Klubs stimmten dagegen, zwei enthielten sich.
  • Von Seiten der Fans ist vielerorts laute Kritik zu hören.
  • «Die Einzigartigkeit des deutschen Fussballs wird für ein aussichtsloses Rattenrennen mit der Premier League über Bord geworfen», hiess es etwa in einer Mitteilung des Fan-Bündnisses «Unsere Kurve».

Der Weg für den Milliarden-Deal der Deutschen Fussball Liga ist frei. Nach monatelangem Werben erhielt die DFL-Spitze um die beiden Geschäftsführer Marc Lenz und Steffen Merkel am Montag bei der Mitgliederversammlung das Mandat, Verhandlungen für eine strategische Partnerschaft mit einem externen Investor aufzunehmen. 

Bei dem Treffen der 36 Profivereine in einem Frankfurter Flughafen-Hotel erzielte ein entsprechender Antrag mit 24 Ja-Stimmen gerade so die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit, die im Mai dieses Jahres noch knapp verfehlt wurde. Zehn Vereine stimmten mit Nein, zwei enthielten sich.  

«Das ist ein gutes Zeichen, dass wir gemeinsam – DFL wie auch die Clubs – die Bundesliga und 2. Bundesliga weiterentwickeln wollen», sagte Lenz. Das Abstimmungsergebnis sei «eine gute Grundlage für uns, jetzt handeln zu können», ergänzte Lenz und versprach: «Wir werden verantwortungsvoll damit umgehen.»

Konkrete Gespräche stehen an

Die Geschäftsführung der Dachorganisation des deutschen Profi-Fussballs wird nunmehr konkrete Gespräche mit einem potenziellen Vermarktungspartner aufnehmen. Sechs Unternehmen sollen ihr Interesse an einer Zusammenarbeit mit der DFL bekundet haben. 

Für eine prozentuale Beteiligung an den TV-Erlösen soll ein Finanzinvestor eine Milliarde Euro zahlen. Der Vertrag soll eine Maximallaufzeit von 20 Jahren haben und bis zum Beginn der Saison 2024/25 unterzeichnet sein. «Der Prozess läuft bis Ende März kommenden Jahres und soll ein gutes Signal für die Vergabe der neuen Medienrechte im zweiten Halbjahr geben», sagte Lenz. 

Die DFL will das Geld vornehmlich für den Ausbau ihrer Infrastruktur nutzen. Dazu zählen eine weitere Digitalisierung und Internationalisierung sowie der Aufbau einer eigenen Streamingplattform. 

Die DFL-Spitze um die beiden Geschäftsführer Marc Lenz (links) und Steffen Merkel vor der Pokalübergabe nach dem Super-Cup-Finale zwischen RB Leipzig und Bayern München.
Die DFL-Spitze um die beiden Geschäftsführer Marc Lenz (links) und Steffen Merkel vor der Pokalübergabe nach dem Super-Cup-Finale zwischen RB Leipzig und Bayern München.
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«Geld steht über allem» – Fans üben Kritik

Aus dem Fan-Lager gab es heftige Kritik an der Entscheidung. «Die wohlfeilen Worte der DFL in der Coronapause haben sich endgültig in Luft aufgelöst. Geld steht über allem. Die Einzigartigkeit des deutschen Fussballs wird für ein aussichtsloses Rattenrennen mit der Premier League über Bord geworfen», hiess es in einer Mitteilung des Fan-Bündnisses «Unsere Kurve»

Dem widersprach DFL-Geschäftsführer Lenz. «Das ist kein Anteilsverkauf der DFL, sondern ein Erlösmodell mit klaren roten Linien», sagte er. «Dieses Modell ist sehr ähnlich dem, was es im Umfeld vieler Clubs längst gibt.»

Dennoch: Bis zuletzt hatte es bei den Fans Widerstand gegen den Deal gegeben. Sie befürchten dadurch eine Wettbewerbsverzerrung. «Die Folgen dieser Entscheidung verschärfen die ungleichen Chancen in den deutschen Ligen zugunsten eines zunehmend künstlichen Produktes der internationalen TikTok Welt», schrieb «Unsere Kurve». Das Ergebnis sei ein Rückschlag. 

Die Anhänger hatten ihren Protest am zurückliegenden Wochenende in vielen Stadien auf Spruchbändern zum Ausdruck gebracht. «Das haben wir natürlich vernommen», sagte DFL-Geschäftsführer Merkel und fügte hinzu: «Wir haben uns das zu Herzen genommen und in dem Antrag entsprechend reflektiert.»

Zugleich wies die Liga-Führung die Befürchtungen der Fans energisch zurück. «Der Zugriff des Partners auf sportliche Themen ist ausgeschlossen. Die Clubs behalten die relevante Entscheidungshoheit», sagte Lenz.

Das sagen die Vereinsverantwortlichen

Bayern Münchens Vorstandschef Jan-Christian Dreesen zeigte sich erleichtert über die mehrheitliche Zustimmung der Proficlubs in der Investoren-Frage. Das sei ein wichtiger Schritt für die «Entwicklung der Liga, die Gestaltungsmöglichkeit in eine Weiterentwicklung was die digitale Infrastruktur betrifft, und damit sind wir ganz zufrieden», sagte Dreesen.

Präsident Oke Göttlich vom Zweitligisten FC St. Pauli betonte, die demokratische Entscheidung «selbstverständlich respektieren» zu wollen: «Wichtig ist in dem weiteren Prozess, eine faire und sinnvolle Verteilung von Geldern zu erreichen, um den nationalen Wettbewerb attraktiver zu gestalten und damit auch finanziell zu stärken.» Nun werde sich zeigen, «wie stark die Gemeinschaft der DFL tatsächlich ist». 

Oke Göttlich blickt dem Milliarden-Deal noch etwas skeptisch entgegen.
Oke Göttlich blickt dem Milliarden-Deal noch etwas skeptisch entgegen.
Bild: Imago

Fernando Carro, Geschäftsführer von Bundesliga-Spitzenreiter Bayer Leverkusen, begrüsste die Entscheidung. «Im Sinne des deutschen Fussballs war es notwendig, Klarheit zu haben – sei es dafür oder dagegen», sagte Carro. 

Zugleich betonte er: «Heute ist nur ein kleiner Schritt gemacht worden. Die Arbeit fängt für die Geschäftsführung und das Präsidium jetzt erst richtig an.» Die DFL-Führung müsse mit den interessierten Investoren «hart verhandeln, denn es geht hier um das Geld des deutschen Fussballs – und das ist ja kein Blankoscheck.»