Im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA spricht Ruben Vargas unter anderem über Durststrecken, seine Herkunft, Gott und Vorbilder.
Ruben Vargas, am Samstag schossen Sie Ihr zweites Tor in der laufenden Meisterschaft, das erste hatten Sie beim Saisonstart erzielt. Ist Ihnen ein Stein vom Herzen gefallen?
«Eine gewisse Erleichterung verspürte ich auf jeden Fall. Ich baute mir jedoch keinen Druck auf, wusste, dass ich mich irgendwann dafür belohne, wenn ich die Leistung weiter abrufe. In den vorangegangenen Spielen kam ich einem Tor nahe, dass es nun klappte, darüber freute ich mich riesig.»
Definieren Sie sich als Offensivspieler über Treffer?
«Sicher, wir werden ja in gewisser Weise an der Statistik gemessen. Es wäre allerdings nicht gut, wenn ich nur noch ans Toreschiessen denken würde. Damit machte ich weniger gute Erfahrungen. Und letztendlich steht die Mannschaft im Vordergrund. Von daher denke ich in erster Linie ans Team und nicht an mich.»
Dennoch: Fällt es Ihnen einfach, während einer Durststrecke stets positiv zu bleiben?
«Da ich nun schon eine gewisse Zeit in der Bundesliga spiele, kann ich gut damit umgehen. Ich weiss, wozu ich fähig bin. In meiner ersten Spielzeit hier gelangen mir viele Treffer (6 – die Red.). In anderen Saisons hatte ich ebenfalls mal längere Durststrecken und kam am Ende dennoch auf meine Tore und Assists. Aufs und Abs gehören dazu. Von daher versuche ich stets, an positive Dinge zu denken und mich auf die Leistung zu konzentrieren. So ist meine Einstellung.»
Ihr Vater stammt aus der Dominikanischen Republik. Die Leute in der Karibik sind bekannt für Ihre Lebensfreude. Wie viel von dieser Mentalität steckt in Ihnen?
«Ich würde sagen sehr viel. Ich bin ein äusserst positiver Mensch, der gerne Spass hat. Beim Fussball ist meine Spielfreude zu sehen, denke ich – auch, dass ich temperamentvoll bin. Das habe ich von meinem Vater.»
Sie sind ein sehr gläubiger Mensch. Wir stark hilft Ihnen das während eines Tiefs?
«Sehr viel. Mein Glaube gibt mir Vertrauen und Kraft im Beruf sowie im Privaten. Ich bin fest davon überzeugt, es Gott zu verdanken, dass ich hier vor so vielen Zuschauern spielen darf und mein Hobby zum Beruf machen konnte. Wenn ich ein Tor schiesse, widme ich dieses ihm. So bin ich aufgewachsen.»
Als Fussballprofi ist es nicht einfach, stets auf dem Boden zu bleiben. Welchen Einfluss hat diesbezüglich Ihre Herkunft?
«Ich weiss, was es heisst, arm zu sein, nehme mein Leben nicht als selbstverständlich. Zudem hält mich mein Umfeld stets am Boden. Ich bin sehr glücklich, solche Leute um mich herum zu haben.»
Ihr Vater spielte Baseball und war Golflehrer, Ihre Mutter war EM-Teilnehmerin im Trampolinspringen. Warum sind Sie beim Fussball gelandet?
«Das ist eigentlich eine lustige Geschichte. Ich benutzte einen Baseball- und Golfschläger, bevor ich Fussball spielte. Baseball übte ich in einem Verein aus. Mit dem Fussball kam ich in den Schulpausen in Kontakt und schloss mich ebenfalls einem Klub an. Überhaupt liegen mir Ballsportarten. Zunächst wechselte ich an den Wochenenden zwischen Fussball und Baseball ab, irgendwann musste ich mich entscheiden und wählte Fussball. Es war nicht so einfach für mich, das meinem Vater zu vermitteln, aber er nahm es cool.»
Sie sind spät gewachsen, wie hat sich das ausgewirkt? War es vielleicht sogar ein Vorteil, dass Ihnen nicht alles in den Schoss fiel?
«Das hat mich geprägt. Ich musste stets kämpfen, um im Team zu bleiben, hatte bis zur U17 oder U18 nie einen Stammplatz. Das war als kleiner Bub nicht einfach, machte mich traurig, denn ich wollte spielen. Jedoch wurde ich dadurch stärker, es bereitete mich auf den heutigen harten Konkurrenzkampf vor.»
Zweifel hatten Sie nie?
«Nein, ich wollte unbedingt Profi werden, glaubte immer an meine Fähigkeiten, wusste, dass ich meine Chance irgendwann erhalte und dann bereit dafür bin dank meines harten Trainings.»
Nach der Schule absolvierten Sie eine Lehre als Maler, die Sie abschlossen. Liess sich diese gut mit dem Fussball vereinbaren?
«Das hat schon Substanz gekostet. Im Nachhinein gab mir das allerdings eine Extra-Motivation. Es war nicht so einfach von 7.30 bis 16 Uhr auf der Baustelle zu sein und dann direkt ins Training zu gehen. Dann noch die Berufsschule. Ich bin sehr stolz, es durchgezogen zu haben, umso mehr, als ich nicht der beste Schüler war.»
Sie mussten auf vieles verzichten. Fiel Ihnen das stets einfach?
«Vielleicht war es gut, dass ich keine Zeit für anderes hatte. Ich war nach den intensiven Tagen jeweils erschöpft, wollte gar nichts mehr machen ausser essen und schlafen. So konnte ich gar nicht in Versuchung kommen.»
Wer war Ihr Vorbild?
«Cristiano Ronaldo war immer ein Vorbild für mich. Er hatte schon ein gewisses Talent, machte jedoch sehr viel dafür, um so weit zu kommen, ist auch heute (mit 39 Jahren – die Red.) noch topfit. Er ist für jedes Kind ein Vorbild. Dann noch Neymar wegen seines Spielstils.»
Sind Sie neben dem Feld ähnlich akribisch wie Cristiano Ronaldo?
«Für mich gehört es dazu, auch neben dem Platz professionell zu leben. Klar kann man immer mehr machen, Ronaldo oder auch Haaland sind diesbezüglich andere Kaliber. Ich bin jemand, der auf seinen Körper hört, das gilt auch beim Schlafen. Was die Ernährung betrifft, sind wir bei uns im Stadion gut aufgehoben.»
Nach Ihrem Debüt in der Super League 2017 ging es schnell. Zwei Jahre später wechselten Sie in die Bundesliga. Was gab Ihnen die Überzeugung, dass es der richtige Weg ist?
«Ich hatte bei Luzern eine sehr gute Saison gespielt, fühlte mich bereit für den nächsten Schritt. Damals war Martin Schmidt (ein Schweizer – die Red.) Trainer von Augsburg. Zwar kannte ich ihn zuvor nicht persönlich, seine Pläne überzeugten mich allerdings. Ich machte mir damals keine Gedanken über mögliche Konsequenzen, dass ich weniger zum Einsatz kommen könnte. Die Bundesliga war schlichtweg ein Traum von mir. Es ist gut herausgekommen.»
Was war die grösste Herausforderung?
«Ich lebte das erste Mal allein und dies in einem anderen Land. Zum Glück ist die Sprache ähnlich und ist Augsburg nicht weit weg von zu Hause. Meine Familie besuchte mich oft.»
Augsburg ist seit 2011 ununterbrochen in der Bundesliga, was wohl nicht viele für möglich gehalten hätten. Was zeichnet den Verein aus?
«Dass wir eine Einheit sind, auch mit den Fans. Diese geben uns viel Kraft. Es ist ein familiärer Verein. Nun wäre es schön, mal nicht als Abstiegskandidat gesehen zu werden, sondern uns im Mittelfeld zu etablieren. Dennoch sollten wir nicht zu weit nach vorne schauen.»
Ihr Vertrag mit Augsburg läuft 2025 aus. Könnten Sie sich danach den nächsten Schritt vorstellen?
«Ich spiele nun seit viereinhalb Jahren in Augsburg, von daher kann ich mir gut vorstellen, den nächsten Schritt zu machen. Wenn es für Augsburg und mich passt, höre ich mir das sicher an. Aktuell mache ich mir aber keine Gedanken darüber, nun liegt mein ganzes Augenmerk darauf, in den nächsten Spielen eine Topleistung abzurufen.»
Gäbe es eine Traumdestination?
«Wahrscheinlich würde jeder das Gleiche sagen. Die Premier League ist derzeit wohl die beste Liga der Welt.»