Späte Tore, (nur) eine Rote Karte und hitzige Diskussionen. Der Klassiker zwischen Dortmund und den Bayern sorgt am Samstag für so viel Gesprächsstoff wie schon lange nicht mehr. Besonders bei Oliver Kahn.
Mit einer Nacht Abstand zeigt Oliver Kahn am Sonntag Selbstironie. Das viral gehende Video seines wilden Wutausbruchs twittert der Vorstandschef des FC Bayern München gleich selbst und schreibt dazu: «Dieses Ergebnis haut einen doch vom Stuhl …» Nach dem späten 2:2 im Liga-Topspiel bei Borussia Dortmund hatte Kahn am Abend zuvor auf der Tribüne wie einst auf dem Feld wild herausgebrüllt, sich in seinen Sitz geworfen und konnte dabei froh sein, dass er sich beim heftigen Schlag auf den Rammschutzbügel nicht an der Hand verletzte.
Als er das Spiel knapp eine Stunde später vor dem Mannschaftsbus analysiert, formuliert er seine deutlichen Forderungen leise und mit fast zusammengepressten Lippen. Klar ist die Ansage dennoch: Die Schonfrist beim FC Bayern München ist endgültig vorbei. Ab jetzt zählen nur noch Ergebnisse.
«Wir müssen jetzt schnell in die Puschen kommen», so Kahn nach der verspielten 2:0-Führung und dem Ausgleich in der fünften Minute der Nachspielzeit: «Wir müssen einfach Ergebnisstabilität reinbringen. Wir müssen schnell Erster werden und können uns nicht darauf verlassen, dass die Mannschaften, die über uns sind, immer nur unentschieden spielen oder verlieren.»
Die Frage nach der Empathie
Doch nicht nur für seine Mannschaft findet der 53-Jährige kritische Worte, auch Schiedsrichter Deniz Aytekin steht auf seiner Liste. Dieser hatte BVB-Mittelfeldspieler Jude Bellingham nach einem Tritt ins Gesicht von Alphonso Davies nicht mit der zweiten Gelben Karte unter die Dusche geschickt. Sehr zum Unmut Kahns.
Seine Entscheidung verteidigt der deutsche «Schiedsrichter des Jahres» am Tag danach bei «Sport1». «Ich verstehe absolut jeden Bayern-Fan, der die Situation isoliert betrachtet: Das ist eine Gelbe Karte. Aber von uns Schiedsrichtern wird ja auch immer eine gewisse Empathie und ein Gefühl für die Situation erwartet. Klar kommt es zum Kontakt, aber der Jude macht das ja nicht mit Absicht. Und dann bist du als Schiedsrichter geneigt zu denken: ‹Habe ich nicht noch einen gewissen Restspielraum, den ich ausnutzen kann?›», so der 44-Jährige in der Sendung «Doppelpass».
Oliver Kahn haut es vor dem TV-Gerät zu Hause offenbar erneut aus dem Stuhl. Sofort schaltet sich die Bayern-Ikone auf Twitter in die Diskussion ein und fragt nach: «Wo war denn die Empathie bei der Gelb-Roten Karte für Kingsley Coman?»
Genau wie Kahn zeigt auch Julian Nagelsmann wenig Verständnis für die Entscheidung. «Da gibt es nicht viel zu diskutieren. Er tritt ihm volle Kanne ins Gesicht. Das ist nicht Gelb, das ist eine Rote Karte», wettert der Bayern-Coach nach dem Spiel beim Interview mit dem TV-Sender Sky. Allerdings relativiert der 35-Jährige auch. «Es gibt keine Garantie, dass wir dann gewonnen hätten. Es war eine Fehlentscheidung. Das passiert. Auch mir passieren Fehler. So auch Deniz Aytekin. Aber das war sicher nicht der Grund, dass wir unentschieden gespielt haben.»
Zuspruch erhält der Unparteiische hingegen vom früheren Münchner Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. «Wenn ich ehrlich bin, bin ich ein bisschen auch beim Schiedsrichter und habe Verständnis, dass er das Stadion nicht endgültig zum Kochen bringen wollte. Es wäre eine harte Entscheidung gewesen, ihn mit Gelb-Rot vom Platz zu stellen», so Rummenigge gegenüber der Bild am Sonntag.