Yann Sommer kreuzt nur 30 Tage nach seinem Wechsel zum FC Bayern wieder im Borussia-Park auf – als Gegner. Beim Wiedersehen soll «kein böses Blut fliessen». Der Nati-Goalie hat eine Vorahnung.
Yann Sommer ahnt, was ihn bei seiner schnellen Rückkehr als Bayern-Torwart in den Gladbacher Borussia-Park blüht – zumindest nach dem Anpfiff. «Die Jungs werden besonders motiviert sein, gegen mich zu treffen», sagte der 34 Jahre alte Schweizer und lächelte. Ein komisches Gefühl wird den so erfahrenen Profi schon beschleichen, wenn er am Samstag seinen ersten Bundesliga-Klassiker zwischen Borussia Mönchengladbach und dem FC Bayern München im Trikot des deutschen Rekordmeisters erleben wird.
«Das wird natürlich echt merkwürdig. Ich kenne dieses Team und diesen Verein in- und auswendig. Ich war achteinhalb Jahre dort. Es wird ein besonderer Moment, als Gast in den Borussia-Park einzulaufen – als Gegner», schilderte Sommer. «Aber ich freue mich darauf, die Jungs wiederzusehen.»
Gerade mal 30 Tage liegt sein spektakulärer Last-Minute-Transfer von Gladbach nach München zurück. Es ging alles so schnell, dass noch nicht mal eine richtige Verabschiedung von den nun ehemaligen Kollegen möglich war. «Wir hatten freie Tage und konnten uns gar nicht persönlich gross in den Armen nehmen», erinnerte Gladbachs Nationalspieler Jonas Hofmann. Das kann jetzt nachgeholt werden.
Offizielle Verabschiedung im Borussia-Park
Sommer hat dem Gladbacher Vorschlag für eine offizielle Verabschiedung vor dem Spiel sofort begeistert zugestimmt. Jedenfalls erzählt das Roland Virkus so. «Ich habe mit Yann telefoniert, Yann findet das top», sagte der Gladbacher Sportdirektor. Für Virkus ist die Zeremonie eine Selbstverständlichkeit.
«Yann hat bei uns achteinhalb Jahre hervorragend performt. Es ist doch logisch, dass sich Yann und auch wir vernünftig verabschieden wollen – und auch die Fans von Yann. Das ist der Stil von Borussia Mönchengladbach. Deshalb glaube ich, dass Yann hier sehr freundlich empfangen wird», sagte Virkus vor dem Wiedersehen. Hofmann äusserte sich ähnlich: «Da fliesst überhaupt kein böses Blut. Ich glaube, jeder kann die Entscheidung vom Yann verstehen. Jeder gönnt ihm das von Herzen.»
Sommer erlebt in der Spätphase seiner Karriere noch einmal etwas Neues – und womöglich ganz Grosses. Als Bayern-Torwart steht er noch mehr im Rampenlicht. Deutscher Meister, DFB-Pokal-Sieger, Champions-League-Gewinner – alles scheint möglich. Im Eiltempo hat er die Antwort gegeben, ob er in München ein adäquater sportlicher Ersatz für den langfristig verletzten Captain Manuel Neuer sein kann.
Spätestens nach Sommers starker Leistung beim Champions-League-Sieg in Paris mit einer spektakulären Kopf-Parade gegen PSG-Star Kylian Mbappé wird Neuer nicht mehr vermisst. «Das zeichnet einen Torwart bei Bayern München aus, dass du nicht so viel zu tun bekommst, aber wenn du gebraucht wirst, da bist», sagte Bayern-Chef und Ex-Torwart Oliver Kahn nach dem 1:0 das Sommer festhielt.
Kommt es im Sommer zum Konkurrenzkampf mit Neuer?
Es könnte spannend werden, wenn Neuer im Sommer nach seinem Beinbruch fit zurückkehren sollte – und mit einem möglichen Triple-Gewinner Sommer um den Platz im Tor konkurrieren müsste. Bayerns Ehrenpräsident Uli Hoeness befand als bekennender Neuer-Bewunderer am Donnerstagabend bei einer Talkrunde der «Neuen Presse» in Hannover: «Yann ist ein fantastischer Charakter und passt wunderbar zu Bayern. Da hat unser Vorstand hervorragende Arbeit geleistet, in kürzester Zeit einen überragenden Torwart zu verpflichten.»
Gladbach profitierte immerhin finanziell von dem Sommer-Deal. Als Basis-Ablöse erhielt der Klub rund acht Millionen Euro für einen Torwart, der am Saisonende ablösefrei hätte wechseln können. Die Borussia konnte das Geld in Jonas Omlin (28) investieren, der nächste Torwart aus der Schweiz und der aus Montpellier kam.
Gladbach will ohne Sommer Bayern-Schreck bleiben
Eine vertragliche Vereinbarung, dass Sommer am Samstag nicht im Bayern-Tor stehen darf, war für die Gladbacher nach eigenen Angaben kein Thema. «So eine Klausel wird es nicht geben. Warum?», sagte Virkus. Die Bayern wiederum sind vor allem froh, dass Sommer nicht mehr im Gladbacher Tor stehen wird. Denn gegen sie hielt der Schweizer regelmässig herausragend gut. Beim 1:1 in der Hinrunde wehrte Sommer in der Allianz Arena 19 Torschüsse seiner heutigen Bayern-Kollegen ab – ein Rekord in der Bundesliga seit der Erfassung solcher statistischen Daten.
Julian Nagelsmann geht davon aus, dass Sommer die emotionale Situation im Borussia-Park meistern wird. «Es ist ein besonderes Spiel für ihn gegen seinen Ex-Club. Aber er ist keine 18 mehr und wird damit zurechtkommen und ein sehr gutes Spiel machen», sagte der Bayern-Trainer am Freitag.
Auch ohne Sommer wollen die Gladbacher freilich ein Bayern-Schreck bleiben, unabhängig von der Ergebniskrise seit dem Verlust ihrer jahrelangen Nummer 1. «Ich glaube schon, dass wir mittlerweile so ein Angstgegner für sie sind», sagte Hofmann nach zahlreichen Erfolgen in der jüngeren Vergangenheit wie beim rauschenden 5:0-Pokalabend 2021. «Über die Jahre gesehen sind wir eine Mannschaft, die Bayern immer wieder Paroli bietet.» Diesmal wird jedoch Sommer etwas dagegen haben.